„Wird Timmendorf von der Konkurrenz abgehängt?“ - so lautete die Schlagzeile eines Berichts in den Lübecker Nachrichten. Als Lösung des aufkeimenden Problems lieferte Timmendorfs Tourismuschef Christian Jaletzke prompt eine „unkonventionell erscheinende Idee“: die denkmalgeschützte Trinkkurhalle im Neuen Kurpark solle überplant werden, schlug er vor, und zwar als Luxushotel für illustre Gäste - „U-förmig, alle Zimmer mit Blick aufs Wasser. So könnten wir die Ostsee weiter in den Ort bringen.“
„Das kann doch wohl nicht wahr sein“, entrüstet sich ein Ur-Timmendorfer nach der Lektüre der Tageszeitung. „Jetzt wollen sie ein Hotel rund um die Trinkkurhalle bauen.“ In Windeseile kursierte das Gerücht durch den Ort. Bis die ersten empörten Bürger bei der Gemeindeverwaltung anriefen. Wir fragten ebenfalls nach bei Hauptamtsleiter Martin Scheel, der schon etliche Gespräche zu diesem Thema geführt hatte. „Nein, da ist nichts dran“, meint er. „Die Trinkkurhalle selbst und sogar die Fläche rund um die Trinkkurhalle stehen unter strengem Denkmalschutz. Wir haben bei den Renovierungsarbeiten sogar Ärger bekommen, als die Stärke der Fensterscheiben verändert werden sollte. Das war noch zu Zeiten von Bürgermeister Gerhard Fandrey; da kam es sogar zu einem gerichtlichen Verfahren, weil nicht alles bis ins Detail beachtet wurde. Das nun als Hotelstandort zu bringen, halte ich für unmöglich.“ Aber der Tourismusdirektor hatte doch… „Es wäre sicher hilfreich gewesen, wenn Herr Jaletzke diese Idee als Vorlage an die zuständigen Ausschüsse weitergegeben hätte. Dann hätten sich Bauausschuss und Tourismusausschuss damit befasst, bevor man sich dazu öffentlich geäußert hätte. Auch wenn es seine Lieblingsidee ist, die er 2 bis 3 Mal öffentlich kundgetan hat, brauchen wir letztlich die Beschlüsse der zuständigen Gremien.“
Wenig amüsiert war auch Anja Es, als sie von den Hotelplänen für die Trinkkurhalle hörte. Sie ist die Pächterin der Räume, in denen die vielseitige Künstlerin regelmäßig Ausstellungen und Performances mit verschiedenen Gast-Künstlern bietet, die zahlreiche Besucher anziehen. „Bevor ich irgend etwas davon wusste, wurde ich schon von der Presse angerufen und auf die Hotelpläne aufmerksam gemacht. Aber ich nehme das alles ganz locker. Ich hab alles um ein Jahr verlängert, die Konditionen wurden festgelegt, und der Vertrag ist jetzt unterschriftsfertig ausgearbeitet. Das heißt, ich behalte den Laden vielleicht sogar für die nächsten Jahre. Schließlich ist Timmendorfer Strand ein Ort, der die Kunst braucht. Nur Shoppen und Schlemmen - das kann es nicht sein.“
Für echte Timmendorfer ist die Trinkkurhalle selbst mindestens ebenso wichtig wie die Kunst, die dort ihren Platz hat. Sie ist ein Symbol für den Aufschwung zum gefragten Kurort in den Wirtschaftswunderjahren: Als Timmendorfer Strand sich 1951 erstmals offiziell Ostseeheilbad nennen durfte, trug die damals neu eingerichtete Trinkkurhalle wesentlich dazu bei. Das hier ausgeschenkte Meerwasser mit seinem Gehalt an Mineralstoffen hatte einen wesentlichen Anteil an der Meeresheilkunde, die hier eine wichtige Rolle spielte. Heute ist das auffällige Gebäude mit der typischen, gläsernen „Rotunde“ ein Denkmal, das den Ort prägt und auf das kaum ein Timmendorfer verzichten möchte. „Wenn das tatsächlich geplant wäre, hätten wir hier den nächsten Bürgerentscheid“, prophezeit Martin Scheel. Darauf kann die Gemeinde gern verzichten, würde dieser Kampf doch wieder eine Spaltung bedeuten statt eine Einheit, die man braucht, um zukunftsträchtige Ideen zu entwickeln und so umzusetzen, dass sie den Vorgaben und der Tradition entsprechen.
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