Im Winter hat sich in Timmendorfer Strand die Bürgerinitiative „Verkehrsberuhigung Timmendorfer Strand“ mit dem Ziel gegründet, in der Gemeinde ein zukunftsorientiertes und umweltschonendes Verkehrskonzept durchzusetzen. Am Freitag, 17. Mai 2013, hat die Bürgerinitiative die Timmendorfer Bürger zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion ins Hotel Seeschlösschen eingeladen. Teilnehmer der Diskussionsrunde waren die Vorsitzenden bzw. Vertreter der fünf Parteien und Wählergemeinschaften sowie der Gründer und Sprecher der Initiative, Rechtsanwalt Jens Michow. Zu den wesentlichen Punkten des Forderungskataloges der Bürgerinitiative zählen eine einheitliche innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30, der Einsatz geräuscharmer und umweltschonender Busse für den Linienverkehr, die Beschränkung des innerörtlichen Bus- und LKW-Verkehrs und die Kontrolle des nächtlichen Fahrverbots für Motorräder.
„Mit Blick auf die Kommunalwahlen wollen wir von den Kandidaten erfahren, welche Konzepte Sie für die Zukunft Timmendorfer Strands und die Reduktion des stetig steigenden Verkehrslärms des Ortes haben,“ erklärte Jens Michow zu Beginn der Veranstaltung, die von rund 60 Interessierten besucht wurde.
„Die Gemeinde hat zu lange darauf verzichtet, Timmendorfer Strand für die Zukunft fit zu machen. Die vielen Badeorte entlang der Ostsee stehen in einem harten Konkurrenzkampf, den Timmendorf zunehmend verliert. Das wirkt sich zwangsläufig nicht zuletzt auch nachteilig für die Gewerbe- und Restaurationsbetriebe des Ortes aus,“ so Michow. Nachdrücklich weist er darauf hin, dass es der Initiative an allererster Stelle darum gehe, die Lebens- und Urlaubsqualität in Timmendorfer Strand zu steigern. „Daher besteht unser zentrales Anliegen darin, Timmendorfer Strand nicht nur für seine Bürger sondern auch für die vielen Urlauber attraktiver zu machen.“ An der Podiumsdiskussion haben Ingo Muuß (CDU), Dr. Felix Benary (Bündnis 90/Die Grünen, Frank Theunissen (WUB), Peter Ninnemann (SPD) und Ulrich Herrmann (FDP) als Vertreter der örtlichen Politik teilgenommen. Thomas Bernd Stehling führte als Moderator durch den Abend.
Als erster trat Ingo Muuß (CDU, Vorsitzender Ausschuss Planung und Bauwesen) an das Rednerpult und berichtete über den B-Plan 20 in Niendorf/Ostsee, insbesondere über ein geplantes Kreuzungsbauwerk mit Anbindung an die Sydowstrasse und zur Grundschule. In Hemmelsdorf könnte man einen Kreisverkehr nach einer Verlängerung des Hainholzweges einrichten. Eine Kreisverkehr-Regelung sieht der CDU-Vorsitzende auch an der bisherigen Kreuzung B 76/Hauptstrasse/Bergstrasse in Timmendorfer Strand für sinnvoll und effektiv. Muuß hält vor allem einen zusätzlichen Parkplatz für notwendig: „Man könnte den bestehenden neuen Parkplatz gegenüber Famila auch erweitern.“ Außerdem forderte Ingo Muuß, dass Betriebe, die neu entstehen, auch selber für Parkplätze sorgen sollten, statt einfach Ablösesummen für bestehenden Parkraum zu zahlen. „Der Verkehrsstrom aus Hemmelsdorf muss auf die Groß-Parkplätze Famila und ETC umgeleitet werden.“ Dr. Felix Benary (Grüne) sieht genauso wie Peter Ninnemann von der SPD den derzeitigen Standort der Timmendorfer Post in der Edeka-Filiale als „Problemstandort“, da dort zu wenig Parkplätze vorhanden sind. Beide sehen einen Postshop im Famila-Warenhaus als sinnvollere Lösung.
Dr. Felix Benary (Vorsitzender Ausschuss Umwelt und Verkehr) ergänzte: „Wir wollen ein Mobilitätsangebot schaffen, das uns flexibel erlaubt unserem Bewegungsdrang nachzugeben und eine soziale, ökonomische und ökologische verantwortungsvolle Verkehrsmittelwahl ermöglicht. Unsere Priorität ist daher die systematische Ausweitung der Verkehrsberuhigung durch Tempolimits, d.h. Tempo-30-Zonen, verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche mit Tempo 10 im Zentrum, am Hafen und dem Niendorfer Balkon, sowie entsprechende Kontrolle. Der Durchgangsverkehr muss auf die Bundesstraße verlagert und von dort, durch ein verbessertes Parkleitsystem, auf die Großparkplätze geführt werden. Die Förderung des Rad- und Fußverkehrs erhält einen neuen Stellenwert und wird durch ein innovatives bedarfsgerechtes Ortsbus-System, mit aufgewerteten und barrierefreien Knoten am ZOB und Bahnhof, ergänzt. Wir wollen Lust auf eine zukunftsfähige Mobilität machen und mit den Bürgerinnen und Bürgern die Ursache für Stau, Lärm, Flächenverbrauch und Luftverschmutzung mit einem Gesamtverkehrskonzept langfristig lösen. Man sollte auch Systemangebote schaffen, wie Tankstellen für Auto und Rad oder Pedelec-Vermietung.“
Für die WUB Timmendorfer Strand nannte Frank Theunissen, Direktkandidat der WUB Timmendorfer Strand, folgende Perspektiven für den Verkehr in der Gemeinde: Eine verbesserte Verkehrslenkung, den Ausbau und Sanierung des Straßen- und Wegenetzes, die Einführung eines Straßenerhaltungsmanagements und keine Beeinträchtigung durch die feste Fehmarnbeltquerung. Abschließend betonte Frank Theunissen: „Die Gemeindevertretung wird am 26.05.2013 neu gewählt, an vielen Stellen wird es einen Generationswechsel geben. Die in ihrem Forderungskatalog aufgestellten Punkte erachten wir für wichtig und begrüßen ihre aktive Mitarbeit. Dafür stehe ich mit der WUB.“
Peter Ninnemann (SPD) hat sich mit seiner Partei bisher für eine feste Verkehrskontrolle in Hemmelsdorf sowie gegen den Speedboot-Lärm auf der Ostsee ausgesprochen. „Des Weiteren haben wir einen Antrag auf Reduzierung der Geschwindigkeit auf der B 76 auf 70 km/h gestellt.“ Die SPD ist auch weiterhin ein Gegner von Gebühren auf den Groß-Parkplätzen. „Dies kann auch das Verkehrsaufkommen und den Verkehrslärm reduzieren und somit den Ort entlasten.“ Ninnemann setzt sich ebenso wie seine Vorredner für die Erstellung einer Lärmkarte ein und sagte abschließend: „Ich würde mich persönlich für eine Tempo 30-Reduzierung einsetzen.“
FDP-Vorsitzender Ulrich Herrmann hat ebenso kein Problem mit Tempo 30 im Ort. Zum Thema Geschwindigkeitskontrolle wies Herrmann darauf hin, dass die Gemeinde für den ruhenden Verkehr und die Polizei für den laufenden Verkehr zuständig ist, letzteres sei aus Personal- und Zeitmangel leider nicht möglich. „Ja, es fahren mehr Fahrzeuge mit OH-Kennzeichen schneller als 30, aber Radarfallen dürfen wir als Gemeinde nicht aufstellen.“ Zum erhöhten Verkehrsaufkommen sagte Ulrich Herrmann: „Wir müssen den Verkehr möglichst schnell auf die Groß-Parkplätze leiten, damit hätte man das größte Problem gelöst.“ Zu den angesprochenen Kreisverkehr-Lösungen an der B 76 sagte Herrmann: „Wir kämpfen für Kreisverkehre, aber wenn das zuständige Straßenbauamt nicht mitspielt, können wir auch nichts machen, zumal es sich zum Teil um Landes- und Bundesstraßen handelt.“ BI-Sprecher Jens Michow erwidert: „Einfach zu sagen, es geht nicht, gibt es für mich nicht!“
Nach der Podiumsdiskussion mit reger Beteiligung aus dem Publikum herrschte bei allen politischen Vertretern Einigkeit über die Einführung einer Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 sowie über stärkere Kontrollen, vor allem auch beim Motorrad-Nachtfahrverbot, das weder beachtet noch kontrolliert wird. Außerdem sprechen sich alle Parteien für die Umleitung des Hauptverkehrs auf die Groß-Parkplätze aus.
Jens Michow, Gründer der Bürgerinitiative und Veranstalter des Abends, bedankte sich nach zwei Stunden bei den Vertretern der Parteien sowie beim interessierten Publikum und freute sich über die breite Zustimmung der anwesenden Politiker: „Ich freue mich, dass offenbar bei vielen Punkten des von unserer Initiative erarbeiteten Maßnahmenkatalogs mehr Einvernehmen besteht, als ich erwartet habe. Ich hoffe vor allem, dass allen Verantwortlichen eins klar ist: Lärm macht krank! Zu hohe Lärmimmissionen sind in erheblichem Maße gesundheitsschädlich. Indem sie sich dafür einsetzt, diese Immissionen zu reduzieren, kämpft die Bürgerinitiative allerdings nicht ‘gegen’ etwas sondern ‘für’ die Interessen aller Timmendorfer - seiner Bürger ebenso wie seiner Handel- und Gewerbetreibenden. Der Ort lebt vom Tourismus. Er muss nur endlich erkennen, dass nachhaltige Maßnahmen erforderlich sind, damit das auch noch morgen der Fall ist. Maßnahmen, die der Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität in Timmendorfer Strand dienen, werden den Ort auch für die Touristen attraktiver machen. Ich wünschte mir, dass das alle Timmendorfer verstehen.“
René Kleinschmidt