Die schicke Flaniermeile, Edel-Gastronomie, Clubs, Cafés und Nobel-Läden das ist Timmendorfer Strand. Jetzt feiert das Ostseebad Geburtstag: seit 150 Jahren ist das „Nizza des Nordens“ beliebter Urlaubsort, dem der Archivar Heiner Herde jetzt eine Chronik mit Fotos aus der guten alten Zeit gewidmet hat. Am 29. Mai wurde „Das Ostseebad Timmendorfer Strand - eine Zeitreise in Bildern“ im Rahmen einer Ausstellung und einer Feierstunde vorgestellt.
Der erste Urlauber wollte eigentlich nur seine Ruhe haben. Und dafür fand er damals die besten Voraussetzungen. Als Pastor Friedrich August Gleiss anno 1865 in der unbewohnten Strandlandschaft unterhalb der Bauernsiedlung Klein Timmendorf ein einsames Grundstück entdeckte und kaufen wollte, waren die wenigen Ur-Einwohner schon erstaunt.
Nach einigen Querelen um die Genehmigung baute der „erste Mensch am Timmendorfer Strand“ mit Hilfe des Zimmermanns Grammersdorf in nur drei Monaten ein schmuckes Haus, das heute noch steht: Direkt am Wohld, nicht weit vom Strand, beherbergt die stilvoll restaurierte „Gleiss Kate“ heute das Restaurant „Reethus“. Nur wenige der Pionier-Bauten sind übrig geblieben. Das erste Logierhaus von „Badewirt Rix“, 1882 in Niendorf erbaut, ist längst Geschichte. Das 1888 erbaute Hotel Röhl und die benachbarte Villa Gropius erinnern an Zeiten, als ruhmreiche Künstler zu Gast in Timmendorf waren; beide sind zierliche Schmuckstücke in einer heute eher gleichförmigen Architektur, die so gar nichts mehr vom Charme der Gründerzeit hat.
Umso faszinierender ist die „Zeitreise in Bildern“, zurück in eine Ära, als der Küstenstreifen am Strand von den Städtern entdeckt wurde, als unbeirrbare Pioniere die ersten Gästehäuser errichteten, die ersten Badekarren an den Stränden standen und die Städter den Urlaub an der Ostsee entdeckten. Der Ort entwickelte sich zum schmucken Urlaubsziel; im Norden wuchs das so genannte Geheimratsviertel heran, eine kleine Sommerhaussiedlung für Familien aus großbürgerlichen Kreisen. „Die öffentlichen Investitionen lockten privates Kapital“, erzählte Heiner Herde in seiner Festrede in der Timmendorfer Trinkkurhalle.
Nachdem 1872 die verheerende Sturmflut kam und den Fischerort Niendorf weitgehend verwüstete, profitierte Timmendorfer Strand vom „Katastrophen-Tourismus“: Neugierige aus der Stadt kamen angereist, um sich die Zerstörung anzusehen und danach im weniger betroffenen Timmendorfer Strand auszuspannen. Dort ging es zügig voran: „Zwischen 1875 und 1910 wurde mit Straßen- und Häuserbau die Basis gelegt.“ Hinzu kam die Einführung der Kurtaxe, es entstanden Hotels und Pensionen im Ort, der ab seit 1905 offiziell Timmendorfer Strand heißt. „Ab 1908 gab es zudem die See- beziehungsweise Dampferanlege-Brücke und ab 1911 ein Warmbad“, berichtete Herde in seinem Vortrag, „dabei ist Timmendorfer Strand den übrigen Ostseebädern immer voraus gewesen.“1898 zählte der aufstrebende Ort stolze 416 Badegäste. Darunter waren nicht nur die reichen Städter, die sich nun zunehmend ihre Villengrundstücke in der „ersten Reihe“, also in der Strandallee, sicherten. Das „Olga Heim“ in der Ortsmitte wurde 1896 als Privatschule für Kinder aus sozial benachteiligten Familien gebaut. Später war dort das örtliche Rathaus; das betagte Gebäude musste aber wegen seiner angegriffenen Substanz abgerissen werden und wurde schließlich von Architekt Karl-Heinz Stolley exakt nach den alten Plänen wieder aufgebaut. Heute findet man dort die Tourist-Information und die Büros der Timmendorfer Strand + Niendorf Tourismus GmbH, die gemeinsam mit der Gemeindeverwaltung am 29. Mai zum Geburtstagsfest mit einem hervorragenden musikalischen Rahmenprogramm von der OGT Big Band und der Sopranistin Nicole Mühle rund um die denkmalgeschützte Trinkkurhalle eingeladen hatte.
In ihren Räumen kann man noch bis zum 30. Juni (dienstags bis sonntags 11.00 bis 17.00 Uhr) eine Ausstellung mit Foto aus der Gründerzeit bewundern, die viel von „damals“, von den Urlaubsträumen, dem Familienglück, dem Sportsgeist und der Atmosphäre vermitteln. Der engagierte Chronist und promovierte Germanist Heiner Herde, der das Publikum mit seinem Vortrag auf eine spannende Zeitreise mitnahm, hat die alten Fotos dem von ihm angelegten Heimatarchiv entnommen, eine Sammlung, die ihren Grundstock drei „Heimatkunde“-Lehrern aus Timmendorfer Strand verdankt.
Einen Eindruck vom Zeitgeist der 50er Jahre vermittelte auch ein Kurzfilm von damals, der zur Ausstellungseröffnung gezeigt wurde. Bei den so typischen Bildern und Szenen der frühen Wirtschaftswunderjahre hörte man dann auch so manches nostalgische „weißt Du noch“ in den Publikumsreihen der Trinkkurhallen-Rotunde.
Wer Nostalgie und Geschichte in Ruhe genießen möchte, dem empfiehlt sich das Buch zur Historie: „Das Ostseebad Timmendorfer Strand - eine Zeitreise in Bildern“ (19,90 Euro) ist im Sutton-Verlag erschienen und ein Tipp für jeden, der seinen Lieblings-Urlaubsort oder seine Wahlheimat näher kennenlernen möchte.