Eine Menschenschlange umkreist die bunten Wagen in Lübecks City. Schon eine Stunde vor Beginn herrscht Riesenandrang und Riesenspannung. Die Attraktion ist nostalgisch-bunt: „Roncalli ist in der Stadt“, wissen Kinder und jung gebliebene Erwachsene. Wer hineinschaut ins Zirkuszelt, der ist im Land der Träume, in einer Manege voller Poesie.
Tick, Tick, Tick… die Zeit läuft langsam. Und ebenso langsam steigt er von Flasche zu Flasche, in einem Kreis rund um die nostalgische Uhr auf dem Zirkuszelt-Boden. Und jede Flasche leuchtet gelb, wenn der Artist sie berührt. „Time is Honey“ lautet das Credo: Sanft wie Honig zerfließt die Zeit in einem Zauberland voll Poesie.
Zauberhafte Spiele mit glitzerndem Licht und sanften Farben, grandiose Akrobatik und der direkte Kontakt zum Publikum machen die Show so faszinierend und spannend. Rund 1400 sitzen staunend in den Rängen, freuen sich, wenn sie von Roncalli-Clown David Larible mit einbezogen werden, wenn sie eintauchen in eine Welt der Freude und der Träume. Ein bisschen wie in „Alice im Wunderland“ bewegen sich die Akteure durch die farbprächtige Kulisse des weltberühmten Cirkus. Jeder Auftritt eine Überraschung: mit sagenhaften Zaubereien, mit märchenhaften Kräften, mit verblüffender Akrobatik, mit einer Parade graziler Pferde… die sind außer den „Anti-Dressur-Hunden“ von Leonid Beljakov die einzigen Tiere, die in dieser Manege ihren Auftritt haben. Auf Wildtiere verzichtet Roncalli bewusst, so wie hier vieles einem anderen, sensibleren Bewusstsein entspricht.
Roncalli ist heute mehr als ein Name, eher das „Label“ für eine neue Philosophie.Es sollte eine Weile dauern, bis man sie verstanden hat. Als der Art-Director Bernhard Paul anno 1975 in Wien seinen gut bezahlten Job beim Nachrichtenmagazin „profil“ kündigte und gleichzeitig ankündigte, er wolle Zirkusdirektor werden, haben sich wohl viele Kollegen nachdenklich an die Stirn getippt. Aber Bernhard Paul ließ sich nicht beirren; Schritt für Schritt verwirklichte er seinen Jugendtraum, gründete in Wien den „Zirkus Roncalli“. Ein ausrangierter alter Zirkuswohnwagen bildete den Grundstock des gewagten Projekts, das damals von seinem Freund André Heller kräftig unterstützt wurde.
Am 18. Mai 1976 war Premiere mit dem Programm „Die größte Poesie des Universums“ - eine Welturaufführung beim „Bonner Sommer“. Danach schrieb der Stern: „Was Woodstock für die 70er Jahre war, ist Circus Roncalli für die Jetztzeit“. Aber zunächst gab es eine lange Pause. André Heller verließ den Zirkus, Bernhard Paul spielte 1977 fünf Wochen bei den Wiener Festwochen „Phantasie verboten“, musste dann aber aufgeben. Er träumte weiter seinen Traum, trat als Clown in Kaufhäusern auf, hielt sich mit Auftritten bei Festivals über Wasser. Im folgenden Jahr siedelte er mit den Roncalli-Resten nach Köln über und baute ein historisches Panoptikum. Damit reiste er über die Jahrmärkte, scharte eine kleine Gruppe Idealisten um sich und richtete noch einmal die Wegen her für den „schönsten Circus der Welt“. 1979 dann die Bewährungsprobe: Ohne Geld und Reputation startete der Zirkusdirektor noch einmal durch - und hatte Erfolg.
Am 4. Juni 1980 hieß es „Manege frei für die Reise zum Regenbogen“. Am Kölner Josef-Haubrich-Hof wurde der legendäre Roncalli-Ruf begründet, unter anderem mit dem Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger, der seinem Freund Bernhard Paul Geld lieh, neue Kulissen entwarf und auch Regie führte. Unvergessen die Pantomimen „Pic und Pello“, erklärte Publikumslieblinge. Es gib bergauf: 1984 gastierte der Circus vier Monate am Berliner Funkturm und zählte 350.000 Besucher. Die Wagen wurden schöner, das Ambiente charakteristisch, und schon war das erste Roncalli-Buch auf dem Markt. „Hereinspaziert“, heißt es - und die Einladung gilt immer noch: treten Sie ein in die Wunderwelt der Phantasie! Vorstellungen sind in Lübeck auf dem Platz an den Linden-Arcaden bis 30. September jeweils mittwochs bis sonnabends um 15.00 und um 20.00 Uhr; Karten kosten zwischen 19 € (ermäßigt 15 €) und 59 € (ermäßigt 54 €), erhältlich unter Tel.: 0451-88079900, ab 10.00 Uhr an der Theaterkasse, in den LN-Geschäftsstellen und in den Welcome-Centern.