Kultur raus, Kneipe rein? Trinkkurhalle soll „gastronomisch“ werden

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Denkmal mit Tradition: Die Timmendorfer Trinkkurhalle erinnert an die Zeit, als Timmendorfer Strand zum ersten Mal als Ostseebad erwähnt wurde. Das war 1951. Heute steht sie unter Denkmalschutz.
Denkmal mit Tradition: Die Timmendorfer Trinkkurhalle erinnert an die Zeit, als Timmendorfer Strand zum ersten Mal als Ostseebad erwähnt wurde. Das war 1951. Heute steht sie unter Denkmalschutz.

Vor genau zwei Jah­ren stand sie schon ein­mal im Fokus der Gemein­de Tim­men­dor­fer Strand: die Trink­kur­hal­le. Das denk­mal­ge­schütz­te Gebäu­de, weit­ge­hend für Kul­tur genutzt, soll­te in einen gas­tro­no­mi­schen Betrieb ver­wan­delt wer­den. So jeden­falls will es die TSNT, Tim­men­dorfs Tou­ris­mus GmbH. Eine Bür­ger­initia­ti­ve ver­such­te, das tra­di­tio­nel­le Gebäu­de, in dem auch Neu­jahrs­emp­fän­ge und Bür­ger­ver­samm­lun­gen statt­fin­den, für die All­ge­mein­heit zu retten.

Sind Sie für den Erhalt der kul­tu­rel­len Nut­zung der Trink­kur­hal­le für die All­ge­mein­heit ohne gas­tro­no­mi­sche Nut­zung?“ lau­te­te die Fra­ge eines Bür­ger­ent­scheids, der letzt­lich zuguns­ten der Gas­tro­no­mie-Fans aus­ging. Jetzt sol­len Taten fol­gen. Aber noch immer gibt es Gegen­wind. Ulrich Her­mann (FDP) und Mit­be­grün­der der Bür­ger­initia­ti­ve „Ret­tet den Neu­en Kur­park“ hat die Argu­men­te pro Kul­tur, kon­tra Knei­pe, zusammengefasst:

Kul­tur raus, ­ Gas­tro­no­mie rein: der Geschäfts­füh­rer der TSNT, Joa­chim Nitz, macht Tem­po. Die Kunst­ga­le­rie, die sich in der Trink­kur­hal­le befin­det, soll Platz machen für den Betrei­ber eines gas­tro­no­mi­schen Betrie­bes. Laut Unter­la­gen des Tou­ris­mus­aus­schus­ses soll der zukünf­ti­ge Mie­ter Umbau­ten von bis zu 800.000 Euro für Küche, Lager, Abzug und Per­so­nal­räu­me selbst vor­neh­men. Obwohl bis­her weder ein Gespräch mit der Denk­mal­schutz­be­hör­de statt­ge­fun­den hat, geschwei­ge denn eine schrift­li­che Stel­lung­nah­me der Behör­de vor­liegt, prescht der Geschäfts­füh­rer der TSNT vor und for­dert die zeit­na­he Aus­schrei­bung des Gebäu­des. Die Bür­ger­initia­ti­ve „Ret­tet den Neu­en Kur­park“ hält die Errich­tung einer Voll-Gas­tro­no­mie in der Trink­kur­hal­le mit den ent­spre­chen­den Umbau­ten sowie den geplan­ten groß­flä­chi­gen Außen­ter­ras­sen für unver­ein­bar mit dem Denk­mal­schutz. Das Gebäu­de ist ein ein­ge­tra­ge­nes Bau­denk­mal und darf nicht durch Anbau­ten oder sicht­ba­re Umbau­ten ver­än­dert wer­den. Es ist nicht für einen Gas­tro­no­mie-Betrieb gebaut und auch nicht dafür geeig­net. Die Bür­ger­initia­ti­ve wird sich wei­ter­hin für den Erhalt der kul­tu­rel­len Nut­zung der Trink­kur­hal­le ein­set­zen. Das gesam­te Gebäu­de soll wie bis­her für Kon­zer­te, Ver­samm­lun­gen, Kunst­aus­stel­lun­gen und wei­te­re kul­tu­rel­le Ereig­nis­se genutzt wer­den und für die Öffent­lich­keit zugäng­lich sein. Das gas­tro­no­mi­sche Ange­bot im Zen­trum ist viel­fäl­tig und bie­tet aus­rei­chen­de Kapa­zi­tä­ten. Die ein­sei­ti­ge Aus­rich­tung des tou­ris­ti­schen Ange­bots auf Schlem­men und Shop­pen wird den Bedürf­nis­sen der Urlau­ber nicht gerecht. Der Besuch einer Kunst­aus­stel­lung oder eines Kon­zer­tes in die­sem ein­zig­ar­ti­gen Gebäu­de macht unse­ren Gäs­ten und auch den Ein­woh­nern Freu­de. Es ist bedau­er­lich, dass die Mit­glie­der des Tou­ris­mus­aus­schus­ses den Wert des ein­zig­ar­ti­gen Bau­denk­mals nicht zu schät­zen wis­sen. Offen­bar wird dort die Mei­nung ver­tre­ten, dass es voll­kom­men reicht, den Urlau­bern Schlem­men, Shop­pen und Events anzu­bie­ten. Das Bedürf­nis der Men­schen nach Kunst und Kul­tur wird hier ein­fach igno­riert. Ein Allein­stel­lungs­merk­mal unse­rer Gemein­de ist das freie Zen­trum mit dem Strand­park. Ein Image lau­tet: „Ost­see­heil­bä­der im Grü­nen“. Der öffent­li­che Raum ist der Teil der Gemein­de­flä­che, der für alle Anwoh­ner zugäng­lich ist und von der Gemein­de unter­hal­ten wird. Die Funk­tio­nen des öffent­li­chen Rau­mes sind ver­bin­den­de (Stra­ßen), wirt­schaft­li­che (Fuß­gän­ger­zo­nen, Markt­plät­ze), er dient aber auch zur Erho­lung (Parks) und ver­fügt über eine eige­ne Erlebnisqualität.

Die Trink­kur­hal­le erin­nert an die Zeit, als Tim­men­dor­fer Strand erst­mals als Ost­see­bad erwähnt wur­de. Das war 1951, und die Kur war in Mode - mit Meer­was­ser und Klön­schnack im Treff­punkt Rotun­de, dem Rund­bau der Hal­le im 50er Look. 1989 stell­te man das unver­wech­sel­ba­re Gebäu­de vor­sorg­lich unter Denk­mal­schutz. Die Außen­an­sicht prägt das Bild des „neu­en“ Kur­parks zwi­schen Strand­pro­me­na­de und Shop­ping­mei­le; innen ent­deckt der Besu­cher die außer­ge­wöhn­li­che Gale­rie der Künst­le­rin Anja Es, die selbst mit Per­for­man­ces für kul­tu­rel­le Unter­hal­tung sorgt. Hier fin­den Schau­spiel, Lesun­gen und Kon­zer­te statt, und hier trifft sich die Gemein­de zu Emp­fän­gen und Ver­samm­lun­gen. Beim Bür­ger­ent­scheid für oder gegen den Erhalt des Kul­tur-Treff­punkts ver­lo­ren die Befür­wor­ter knapp; die Anhän­ger der Gas­tro­no­mie-Idee haben gewon­nen. Aber noch ist nicht alles ver­lo­ren: das Amt für Denk­mal­pfle­ge hat die Neu­pla­nung noch nicht abge­seg­net. Alles war­tet gespannt auf die Ent­schei­dung über das wei­te­re Schick­sal eines Tim­men­dor­fer Denkmals.