Lauter Protest, dröhnender Lärm, aufgebrachte Bürger und engagierte Politiker: Schulter an Schulter standen am Sonntag, den 24. März, Bürgermeister und Vertreter der Bürgerinitiativen auf dem Scharbeutzer Seebrückenvorplatz neben einigen hundert Bewohnern jener Region, die nach den Plänen der Bahn im Zuge der festen Fehmarnbeltquerung eine „Hinterlandanbindung“ mit täglich 78 Güterzügen von durchschnittlich 835 Metern Länge ertragen sollen. Extrem laut und sehr nah sollen die Giganten durch die Landschaft rauschen. Eine Bedrohung, gegen die sich die Betroffenen mit allen Mitteln wehren.
„Kein Milliardengrab in Ostholstein“ steht auf dem Plakat. Ein anderes erklärt: „Die Deutsche Bahn bringt Ostholstein zur Strecke“. „Güterbahnlärm macht krank“, warnt die Allianz aus 10 Bürgerinitiativen, die gegen die Pläne der Bahn aufbegehren. Im Zuge der geplanten festen Fehmarnbeltquerung sollen künftig entweder bestehende Schienenverbindungen mit entsprechenden Lärmschutzwänden für den erwarteten Güterverkehr gerüstet werden, oder aber es müsste eine neue Trasse durch Ostholsteins Felder und Wälder gebaut werden. „Beide Möglichkeiten sind nicht raumverträglich“, bemängeln die Bürgerinitiativen: in beiden Fällen wären entweder die Bewohner der Küstenregion oder jene des Inlands direkt betroffen. „Eine Güterzugtrasse würde das Landschaftsbild durch meterhohe Lärmschutzwände stark verändern und die Lebensqualität vermindern“, warnen die Bürgerinitiativen. Volker Owerien, Bürgermeister von Scharbeutz, gab auf dem Rednerpodium ein Beispiel mit Haffkrug, das auf 1300 Metern schon 3 Bahnübergänge hat - „da helfen auch die sechs Meter hohen Lärmschutzwände wenig. Im Sommer könnte man kein Fenster mehr öffnen.“ (Siehe auch Bericht im NDR Schleswig-Holstein-Magazin vom 24. März).
Meterhohe Wände in der Landschaft und verschlossene Fenster zur Urlaubszeit: so etwas können die Tourismus-Orte an der Küste am wenigsten gebrauchen. Welche Verluste die Tourismusanbieter durch die Hinterlandanbindung treffen würden, kann man nur vermuten: Berechnungen oder Auswertungen liegen vor, sind aber noch variabel. Zugleich wird bemängelt, dass die Zahlen hinsichtlich des wirtschaftlichen Nutzens der Fehmarnbeltquerung „geschönt“ wären. „Die Verkehrsprognose hinsichtlich der Mautgebühren stimmt nicht“, betonen die Timmendorfer „Grünen“. „Die Betriebskosten des Tunnels werden bei 74 Mio. Euro pro Jahr liegen. Voraussetzung für die Einnahmen sind ein Verkehrswachstum von 1,7 % p.A. und die Einstellung des Fährverkehrs.“ Beide Voraussetzungen sind laut ihrer Recherchen nicht gegeben. Vielmehr haben sich die Kosten für die Hinterlandanbindung von ca. 800 Mio. Euro nach Schätzung des Bundesrechnungshofes vom April 2009 auf 1,7 Mrd. Euro erhöht. Darin noch nicht berücksichtigt ist die Fehmarnsundquerung.
„Ein Milliardengrab“, warnen die Kritiker der Pläne, die stark an bereits gärende Desaster wie Stuttgart 21 oder den Flughafen BER erinnern. „Die feste Fehmarnbeltquerung ist überflüssig und schadet Menschen und Umwelt“, insistieren die Bewohner der Region. Am Montag, den 25. März, endet das Raumordnungsverfahren und somit die Möglichkeit, einen Einspruch einzubringen. Mit dem folgenden Planfeststellungsverfahren haben die Betroffenen die Chance, gegen die Bahn zu klagen.
„Wir werden kämpfen“, sagen die Landwirte, die ihre Flächen zur Verfügung stellen sollen - und kämpfen wollen die Bewohner der betroffenen Dörfer ebenso wie jene in der Tourismusregion an der Küste. Es geht um’s Ganze: eine Region bangt um ihre Existenz. Und jeder ist gespannt, wie es weiter geht.