Sein Wahlslogan hieß „Kein weiter so“, und damit hat er die Bürger überzeugt. Seit dem 1. Juli ist Sven Partheil-Böhnke Bürgermeister der Gemeinde Timmendorfer Strand und ist schon kurz nach Amtsantritt aktiv geworden. In unserem Gespräch im Rathaus hat der Wahl-Niendorfer mit langjähriger Erfahrung in der Ortspolitik seine Ziele beschrieben.
Strandblick: Die neueste Nachricht aus dem Timmendorfer Rathaus bezieht sich auf einen Ausbau der örtlichen Gewerbegebiete. Ist das der Weg zu Alternativen zum Tourismus?
Sven Partheil-Böhnke: Wir sind ein Touristenort, und der Tourismus ist unser Haupterwerb, das soll sich auch nicht ändern. Aber: Der Tourismus funktioniert. Wir sind soweit gut ausgebucht, also, das läuft. Und die Wirtschaft kann sich auch um den Tourismus kümmern. Die Verwaltung kann die Rahmenbedingungen festlegen, und die Wirtschaft muss dann eben auch mal festlegen: Was wollen wir? Und wo geht das hin? Mein Haupt-Augenmerk ist eben, ein bisschen mehr Wert auf die Gewerbe zu legen, die nicht unbedingt etwas mit dem Tourismus zu tun haben, die wurden ja doch ein bisschen vernachlässigt in den letzten Jahren und Jahrzehnten, und ein bisschen mehr für unsere Bürgerinnen und Bürger tun, damit die auch nach der Saison etwas von dieser Gemeinde haben. Im Sommer ist ja alles toll, da geht man zum Strand runter, sieht viele Leute, ist glücklich, aber in der dunklen Jahreszeit sind vor allem unsere älteren Bürger häufig sehr alleine. Da wäre ein Treffpunkt, zum Beispiel im Alten Kurmittelhaus, eine gute Option. Es gibt tolle Pläne dazu, die müssen nur besprochen und umgesetzt werden, vielleicht auch mit einem Ideen-Wettbewerb - solche Wettbewerbe sind ja oft ein Füllhorn an guten Ideen. Da ist so unglaublich viel Potenzial drin, das man sich zunutze machen kann, um einige Dinge in Schwung zu bringen - zum Beispiel das Kurmittelhaus, das steht jetzt seit 18 Jahren leer, ein tolles Gebäude, das man hervorragend nutzen kann, und da möchte ich gern für unsere Einwohner etwas tun.
Ich hab schon viele unserer ehrenamtlich tätigen Bürger besucht, noch nicht alle, aber ich war beim Seniorenrat dabei, bei der Helferbörse, ich hab’ den Verein Kinderherz besucht - das ist mir wichtig, diese Einrichtungen zu unterstützen, die in den letzten Jahren vernachlässigt wurden. Gerade das Ehrenamt hat für mich einen ganz, ganz hohen Stellenwert. Nur durch das Ehrenamt funktioniert Deutschland. Wenn wir das nicht hätten, würde vieles fehlen, denn diesen Einsatz können wir gar nicht bezahlen. Dass Menschen sich in ihrer Freizeit zur Verfügung stellen, um anderen Menschen zu helfen - das finde ich großartig. Wenn mich Ehrenamtler einladen, dann bin ich immer sehr gern dabei. Ob es die DLRG ist, unsere Freiwillige Feuerwehr oder andere, die ohne Entgelt aktiv werden, sie genießen alle meinen ganz großen Respekt, denn das ist eine tolle Leistung. Ich würde gern in Timmendorfer Strand einen Tag des Ehrenamtes einrichten, bei dem die Feuerwehr, die Kinderbetreuung, der Seniorentreff, der Sportverein und all die anderen ehrenamtlich tätigen einen Stand haben und sich einmal vorstellen können. Dabei werden die Bürger dann erkennen, wie viel Engagement diese Menschen aufbringen, was hier im Ort wirklich auf die Beine gestellt wird.
Das waren meine ersten Termine, die ich wahrgenommen habe. Das heißt: jeder, der einen Termin bei mir haben möchte, der bekommt auch einen. Im Moment ist zwar alles so voll, das man sagen muss: dauert noch ein bisschen, aber grundsätzlich darf jeder, der will, mit dem Bürgermeister sprechen. Das fängt damit an, dass mein Telefon grundsätzlich erreichbar ist, auch am Wochenende kann man meine Nummer anrufen. Es soll jeder die Möglichkeit haben, einen Termin zu bekommen, um seine Anliegen mit mir zu besprechen. Die Bürger haben ja viele Ideen, viele Anregungen, vielleicht auch mal eine Beschwerde, das nehmen wir alles sehr ernst. Einige Ideen kann vielleicht man aus gesetzlichen Grünen nicht verwirklichen, aber es gibt sicher etliche Inspirationen, die umgesetzt werden können.
Strandblick: Das wohl größte Problem im Ort ist die Wohnsituation. Wohnraum ist knapp und teuer. Gibt es da schon Pläne, um die Situation zu verbessern?
Sven Partheil-Böhnke: Ja, das ist wirklich ein großes Problem. Ich habe mich bereits darüber informiert, ob es möglich ist, Flächen zu bekommen, zum Beispiel von Landwirten, um dort wirklich bezahlbaren Wohnraum einzurichten. Aber da fängt für mich schon das Problem an: bezahlbarer Wohnraum ist ja so ein relativer Begriff; für den einen ist 13 Euro bezahlbar, und für den anderen sind 6,50 Euro vielleicht schon zu viel. Da gibt es aber tatsächlich neue Ideen. Wir haben uns schon darum gekümmert, was wir machen können. Das besprechen wir hier in den Abteilungen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft entweder selbst gründet oder sich einer bestehenden anschließt, und das möglicherweise bei diesen kommunalen Wohnungsbaugesellschaften die Gemeinde selber baut. Und die Gemeinde muss ja kein Geld damit verdienen, im Gegensatz zu einem Investor: für den muss sich das Objekt nach 10 Jahren amortisiert haben. Wenn sich das für die Gemeinde nach 20 oder 25 Jahren amortisiert hat, reicht das ja vollkommen aus. Nur auf diese Art können wir wirklich bezahlbaren Wohnraum schaffen, denn die heute üblichen Preise wie z.b. 13 Euro pro Quadratmeter sind für Servicekräfte nicht bezahlbar.
Auch für eine alleinerziehende Mutter sind diese Mietpreise nicht bezahlbar.
Strandblick: Wird es eine Regelung für Zweitwohnungen geben, die ja in manchen Fällen wenig genutzt werden?
Sven Partheil-Böhnke: Man kann einem Wohnungsbesitzer nicht sagen „du musst aber auch darin wohnen“ - das wäre ein Eingriff in die Privatsphäre. Das geht so nicht. Was wir tun können, ist auf die Nutzung bei Neubauten Einfluss zu nehmen. Da könnten wir sagen: Es muss 10 Jahre lang dauerhaft vermietet werden. Erst danach darf man die Wohnungen in die Ferienvermietung geben. Wir haben so einige Objekte in Timmendorfer Strand, die eigentlich nach diesem Schema vermietet werden sollen… aber wir können es wirklich kaum kontrollieren. Dafür fehlt uns einfach die Manpower.
Wenn wir nur noch Ferienvermietungen haben, dann haben wir bald auch Sylter Verhältnisse, das heißt: keine Servicekräfte, keine Mitarbeiter in der Gastronomie, keine Verkäuferinnen in den Boutiquen… das müssen wir sicher ändern, und bei neuen Projekten achten wir auch darauf.
Wir könnten auch sagen: alles, was in den nächsten vier Jahren gebaut wird, ist nur zum dauerhaften Wohnen zulässig. Das ist sicher auch eine Stellschraube, an der wir ein bisschen drehen können. Und mir schweben eben mehr die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften vor.
Das entscheidet natürliche Politik. Wir haben diese Themen schon öfter diskutiert; also, bezahlbarer Wohnraum steht bei allen Fraktionen ganz oben auf der Agenda. Bei den Thema 10 Jahre Festvermietung sind sich alle einig; bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften gibt es unterschiedliche Meinungen. Aber ich denke, man bekommt langfristig auch das okay der Entscheidungsträger, weil jeder sagt, bezahlbarer Wohnraum ist das A und O, den brauchen wir ganz dringend. Da sind alle Fraktionen einer Meinung. Wie wir das angehen, das ist sicher noch die Frage, aber dass wir das angehen, da gibt es keine zwei Meinungen.
Strandblick: Das sind aus meiner Perspektive zwei der wichtigsten Themen, die jetzt anstehen. Aber Sie haben sicher noch mehr wichtige Punkte auf der Agenda.
Sven Partheil-Böhnke: Ja, wichtig war für mich vor allem, Ruhe in das Rathaus zu bringen. Das ist sicher ganz gut gelungen; ich hab’ mich gleich an meinem ersten Tag mit jedem Mitarbeiter, der im Rathaus anwesend war, unterhalten und versucht, den Leuten ein bisschen die Angst zu nehmen. Ich bin nun schon der vierte Bürgermeister in drei Jahren - das bringt viel Unruhe. Ich hab’ versucht, den Mitarbeitern zu zeigen, dass ich eigentlich ganz nett und ganz normal bin .. das geht so mit den kleinen Dingen, indem ich morgens durchs Rathaus gehe und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begrüße.
Das gegenseitige Vertrauen ist wichtig. Meine Tür steht immer offen, außer, wenn wir hier Besprechungen haben. Wer ein Gespräch wünscht, der darf reinkommen. Ich werde toll gebrieft von meinen Mitarbeitern, ich lass ihnen immer so viel Raum, dass sie auch ihre eigenen Ideen vorstellen können. Und in den Ausschüssen stellen sie selbstverständlich auch ihre Arbeit vor; da sollen sie auch die Lorbeeren dafür bekommen. Es ist relativ schnell gelungen, hier so viel Ruhe rein zu bekommen, dass die Mitarbeiter gern zur Arbeit kommen. Ich freu mich, dass das alles reibungslos klappt. Das war mir ganz wichtig.
Strandblick: Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Partheil-Böhnke.
Hier noch ein wichtiger Hinweis:
Bürgermeister Sven Partheil-Böhnke lädt alle Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Timmendorfer Strand herzlich ein, ihre konkreten Anliegen zum gemeindlichen Geschehen mit ihm persönlich im Rahmen einer offenen Bürgersprechstunde in den einzelnen Ortsteilen zu erörtern. Begleitet wird Bürgermeister Partheil-Böhnke von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde. Eine Terminvereinbarung ist nicht erforderlich.
Seine erste Sprechstunde findet am Mittwoch, den 11. August 2021 von 16 bis 18 Uhr im Haus des Kurgastes, (großer Saal), Strandstraße 121a in Niendorf / Ostsee statt.
Weitere offene Bürgersprechstunden finden wie folgt statt:
• Mittwoch, den 08. September 2021 von 16 bis 18 Uhr im Dorfgemeinschafts- und
Feuerwehrgerätehaus, Seestraße 5, 23669 Timmendorfer Strand / OT Hemmelsdorf
• Mittwoch, den 20. Oktober 2021 von 16 bis 18 Uhr in der Trinkkurhalle,
Kurpromenade 3, 23669 Timmendorfer Strand und
• Mittwoch, den 10. November 2021 von 16 bis 18 Uhr im Dorfgemeinschafts- und
Feuerwehrgerätehaus (Veranstaltungsraum), Dorfstraße 30 in Groß Timmendorf.