Dichter haben sie besungen, Fans schmachten monatelang, bis sie wieder da sind. Jetzt ist es endlich soweit: in kurzer Zeit werden in Warnsdorf die ersten Erdbeeren verkauft, und zum Auftakt gab’s schon mal ein kleines Fest: Karl-Heinz Dahl, innovativer Chef auf „Karl’s Erdbeer- und Erlebnishof“, feiert sein 60-jähriges Jubiläum im Zeichen der Erdbeere. Am Donnerstag, den 16. Mai, traf sich die regionale Presse zur lehrreichen und inspirativen Fahrt durch die Felder, wobei „Erdbeerchef“ Karl-Heinz Dahl und seine ebenfalls aktive Tochter Ulrike vieles rund um die Früchte erklärten, was man wissen sollte, wenn man die Erdbeere und ihren besonderen Geschmack gebührend schätzen will.
„Achtzig Aromen hat die Erdbeere; bei der Kirsche sind’s nur vier“, erzählt Karl-Heinz Dahl. Das mag einer der Gründe sein, der diese Frucht zum Mittelpunkt seiner Familie machte. Auf den Geschmack kam der Warnsdorfer Erdbeerbauer schon als Junge. Vor über 90 Jahren legte sein Vater Karl den Grundstein für den heutigen Betrieb, zunächst als Obst- und Gemüsebauer in Rövershagen bei Rostock. Die selbst gezogenen Erzeugnisse verkaufte er auf dem Wochenmarkt. Dann kam der Krieg und die Flucht nach Schleswig-Holstein. Auch dort bewirtschaftete Karl Dahl einige Felder. Und schließlich hatte er die Idee, sich auf Erdbeeren zu spezialisieren. Unterstützt wurde er dabei von Karl-Heinz Dahl, der damals gerade 14 Jahre alt war.
Das ist nun 60 Jahre her. „Königin Elisabeth bestieg den Thron, Vladimir Putin wurde geboren, ein Liter Milch kostete 19 Pfennig, der Film Casablanca kam in die Kinos.“ Ein bedeutendes Jahr, vor allem für die Familie Dahl. In einer Dia-Retrospektive zeigt Karl-Heinz Dahl, wie sich der Erdbeerhof in den vergangenen Jahrzehnten entwickelte. Ganz klein hat man angefangen, mit wenigen Feldern und Verkauf ab Hof. Senga Sengana hieß damals die beliebteste Sorte, die auch die Schwartauer Werke für ihre Marmelade ankauften. „Bis 1970 kamen die Pflücker aus Deutschland“, erzählt Karl-Heinz Dahl, „Hausfrauen, Schüler, Rentner, die sich etwas dazu verdienten.“ Mit wachsendem Wohlstand blieben die deutschen Helfer aus. Nun kamen die Pflücker aus der Türkei - bis die Arbeit in Deutschland weniger wurde und man den „Gastarbeitern“ eine Prämie zahlte, wenn sie in ihr Land zurück zogen. „Da hatten wir aber schon die Wende. Ab 1989 kamen die Polen und halfen uns beim Pflücken, und sie sind heute noch dabei.“
Rund 12.000 Saisonkräfte sind im Einsatz, wenn die saftigen Früchte reif sind, davon 900 Pflücker und 250 Verkäufer Fahrer und Bürokräfte. Um 4.30 Uhr morgens starten acht Gruppen mit je 100 Pflückern auf den Feldern, um die frischen Früchte so schnell wie möglich an den Konsumenten zu kriegen. „Wir haben ein System ausgeklügelt, mit dem besonders effektiv gearbeitet werden kann“, erklärt Karl-Heinz Dahl. „So bekommen die Pflücker 10 Euro die Stunde, das ist ein recht guter Verdienst.“ Die Direktvermarktung ist ein Kapitel für sich: seit Ulrike Dahl die Idee hatte, Erdbeeren in Erdbeeren - also in Ständen mit typischer Erdbeerform - zu verkaufen, sind die saftigen roten Früchte aus Warnsdorf ein Markenartikel mit großen Bekanntheitsgrad. Insgesamt 80 Stände stehen heute an exponierten Stellen, unter anderem in Timmendorfer Strand vor „familia“ und in Scharbeutz vor dem Sky-Supermarkt, und werden immer wieder mit neuen, frischen Früchten bestückt. Rund ein Drittel der Ernte wird direkt vermarktet; die anderen zwei Drittel kommen über den Großhandel als „Ostseeperlen“ an den Genießer. Den engagierten Einsatz für die Früchte, die grundsätzlich nach dem Motto „pflücken, nicht reißen, legen nicht schmeißen“ geerntet werden, merkt man am Geschmack. „Bei uns wächst gesunde Pflanzgut auf jungfräulichen Feldern, das heißt: die Felder werden alle drei Jahre gewechselt, damit die Früchte bestmöglich gedeihen. „Wir ernten ca. 3.000 Tonnen Erdbeeren auf 120 Hektar in Vollertrag. 60 Hektar bleiben in der Vorbereitung.“ Auch beim Pflanzen erreicht der Erdbeerhof Rekordzahlen: 14.400 Erdbeeren werden auf den Feldern im Umkreis von rund 5 Kilometern mit einem Spezialgerät pro Stunde gesetzt; rund 40.000 Pflanzen sind es auf einem Hektar, in 25 cm Pflanzabstand. „Wir arbeiten dabei mit GPS“, erklärt Karl-Heinz Dahl und zeigt auf ein Feld „in Vorbereitung“, schnurgerade bepflanzt.
Schnurgerade verläuft auch die Karriere der Erdbeere in Warnsdorf, und sie hat mittlerweile auch in der früheren Heimat der Familie Dahl Furore gemacht: Sohn Robert Dahl leitet in Rövershagen bei Rostock den zweiten „Karls Erdbeer- und Erlebnishof“ und sorgt mit zündenden, innovativen Ideen mit dafür, dass die süßen Früchte der Sorten Honey, Cleary oder El Santa auf der Erfolgsspur bleiben. Übrigens: die beste Zeit für Erdbeer-Fans beginnt am 20. Juni, dem längsten Tag des Jahres. Vier Wochen lang werden täglich mehr als 80 Tonnen Erdbeeren am Tag geerntet - egal, ob bei Sonne oder Regen, „entscheidend ist, wie lange es am Tag hell ist.“ Denn das Tageslicht, so stellten Forscher fest, ist für Reife, Geschmack und Aroma verantwortlich - auch wenn die Erdbeere in der Bowle am Abend besonders gut schmeckt! - Noch ein Tipp: Wer die Erdbeere „ganz persönlich“ kennenlernen möchte, der kann ihr als Selbstpflücker direkt auf den Feld begegnen, sie „pflücken und sofort essen“ - ein gesunder Genuss.