Sie sind schon lange ein Ritual: Rückblicke auf das vergangene Jahr findet man traditionell in fast allen Publikationen. Wir haben ‘mal in unseren Strandblick-Ausgaben geblättert und eine ganze Reihe Beiträge gefunden, die deutlich machen, dass 2020 kein Jahr wie jedes andere war. Natürlich: es gab ja auch Corona. Das Virus SARS-CoV-2 hat vieles verändert und macht uns noch immer das Leben schwer. Aber es gibt Hoffnung: Jetzt haben die Impfungen begonnen, und wenn weiterhin Vorsicht geboten bleibt, wird Schleswig-Holstein bald die schlimmste Zeit der Krise überwunden haben.
Der Januar startete für uns noch unbelastet von der Pandemie, die weit weg, in China, so langsam begann. In den Ostseebädern war alles zunächst weitgehend entspannt. Tragisch war der Verlust des Pastors Thomas Vogel: der beliebte und volksnahe Seelsorger der evangelischen Kirche Timmendorfer Strand ertrank im Januar bei einem Morgenbad in der Ostsee. Seine Nachfolge übernahm im Oktober 2020 Pastor Karsten Wolkenhauer, der aus dem Harz stammt und vorher in Demmin tätig war.
Anfang Februar lief noch alles normal. Das Fackelfest am Niendorfer Freistrand begeisterte das Publikum: frische Brise, Feuerkörbe, Fackeln und diese wunderbare Urlaubsstimmung, die etliche Gäste so sehr zu schätzen wissen. Ende Februar lud die Timmendorfer Tourismus-GmbH zum Grillen und Chillen am Seepferchenbrunnen ein: ganz gemütlich im Zelt unter einem durchsichtigen Dach mit Blick auf den Sternenhimmel, gut gewärmt von urigen Feuerkörben und den heißen Rhythmen fetziger Live-Musik. Ebenfalls im Februar startete der Kunstwettbewerb „Magic Moments“, an dem jeder Hobby-Künstler teilnehmen und später sein Biild ausgestellt sehen kann. Großen Jubel gab’s im Timmendorfer Eissport- und Tenniszentrum (ETC): Der Club für Eissport in Timmendorf konnte am vergangenen Freitag den verdienten Meistertitel in der Verbandsliga Nord feiern. Nach dem deutlichen 9:1 Erfolg gegen die zweite Mannschaft vom Hamburger SV gab es den ersehnten Pokal für den Titel. Nun war man ganz gespannt auf die Aufstiegsrunde zur Regionalliga Nord. In Scharbeutz begann im Februar ein ganz neues Kapitel mit Bürgermeisterin Bettina Schäfer, die am 3. Feburar die Nachfolge des langjährigen Bürgermeisters Volker Owerien antrat. Ende des Monats änderte sich die Situation an der Ostseküste. Am 28. Februar bestätigte das Robert Koch-Institut die erste COVID-19-Erkrankung in Schleswig-Holstein. Ab dem 11. März stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Ausbruchsgeschehen des neuartigen Coronavirus als weltweite Pandemie ein.
Nun musste Ministerpräsident Daniel Günther den Schleswig-Holsteinern die wenig erfreuliche Nachricht überbringen, dass eine Allgemeinverfügung zu zahlreichen in Kraft treten und zahlreiche Einschränkungen mit sich bringen würde. Am 15.3. gab er nach einer Telefonkonferenz des Landeskabinetts bekannt, dass alle Inseln und Halligen für Touristen geschlossen würden. Die Landesregierung teilte am 16. März einen neuen Stand der bestätigten Corona-Fälle mit. Demnach stieg die Zahl auf 123. Nun sollte überall an der Ostseeküste der Tourismus erheblich eingeschränkt werden. Aber trotz Empfehlung der Landes- und Bundesregierung, nicht notwendige Reisen zu unterlassen, waren zuletzt viele Ferien- und Tagesgäste an die Küsten des nördlichsten Bundeslandes gereist. Diesem Ansturm könne man nicht gerecht werden, „weil wir auch im Interesse der eigenen Bevölkerung gucken müssen, wo wir die entsprechenden intensivmedizinischen Plätze denn haben“, erklärte Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP). Regierungschef Günther kündigte daraufhin weitergehende Regelungen für ganz Schleswig-Holstein an. Laut Allgemeinverfügung sollte der gesamte Tourismus ab sofort gestoppt, außerdem alle Geschäfte und Hotels geschlossen werden. Veranstaltungen wurden abgesagt, größere Zusammenkünfte vermieden. Für Seebrücken galt Betretungsverbot, Toiletten am Strand blieben geschlossen. Es wurden auch keine Strandkörbe oder Liegen zur Verfügung gestellt. Diese Regelung wurde bis zum 19. April verordnet. Ostern wurde also unter Corona-Bedingungen gefeiert, ohne Party, ohne Musik.
Der Effekt war wenig erfreulich. „#strandpause“, lautete das Motto der Ostseebäder; „bleibt zu Hause“, mahnten die Gastgeber. Bei strahlendem Sonnenschein blieben die Orte und die Strände menschenleer. Bis Ostersonntag waren alle Geschäfte geschlossen. Die Polizei kontrollierte in den Straßen, Gruppenaktivitäten waren tabu. Die stille Zeit endete am 20. April. Dann wurde es turbulenter. Zwar hatte man das traditionelle Anbaden am 1. Mai diesmal als Online-Challange eingerichtet, wobei jeder der tapferen Schwimmer allein oder höchstens mit einem Bade-Partner zum Saisonstart in die kalte Ostsee stürmen und davon ein Video drehen sollte. Man blieb eben laut Vorschrift auf Distanz, und wer sich kulinarisch verwöhnen wollte, der wählte sein Urlaubs-Menü „ToGo“ - die Restaurants und Cafés blieben aus Sicherheitsgründen geschlossen.
Aber die Ruhe schwand zusehends. Mit aufsteigenden Temperaturen und der Erlaubnis, wieder Strandkörbe aufzustellen, füllten sich die Strände. Da kam erstmals die inzwischen prämierte „Strandampel“ zum Einsatz: Sie zeigte allen Urlaubern, Einheimischen und Besuchern, wo die Strände überfüllt waren und wo es eventuell noch Platz genug gab für die gängige „Abstandsregel“. Allerdings wurde dieser Platz immer seltener. Sonnenhungrige Besucher standen oft Schlange vor den Vermieter-Buden und wurden schließlich weggeschickt, weil einfach nichts mehr ging. Die Tourismus-Agentur Lübecker Bucht wollte dem Frust entgegenwirken „Hinterm Strand geht’s weiter“, lautete ihre Empfehlung; „wer abseits des quirligen Strandlebens Ruhe und ein erholsames Naturerlebnis sucht, der findet nun auf einer zentralen Webseite jede Menge Binnenland-Inspiration.“
Spätestens im Juli waren auch die Seen im Binnenland beliebtes Ziel für’s Sonnen und Baden. Man blieb eben im Lande, wenn man Urlaub machte; in Europas typischen Urlaubsgebieten war es gefährlicher, ganz zu schweigen von Flügen in ausländische Regionen, die ohnehin meist gestrichen wurden. Bislang blieben die Fallzahlen in Schleswig-Holstein noch tragbar. So genoss man auch den August in vollen Zügen, zum Beispiel mit dem Ausstellungs-Event „Garden & Style“ im Niendorfer Hafen, wobei sich natürlich alle Mühe gaben, den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten. Auch der Monat September präsentierte sich so sonnig, dass viele die Gefahr vergaßen. Für die Tourismus-Bilanz weitgehend positiv: „Wir sind gut durch die Saison durchgekommen. Die Befürchtungen sind nicht eingetroffen. Es gab kein größeres Ausbruchsszenario’, resümierte Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus; „damit zeigt sich zum einen, dass die Hygiene-Konzepte von Hotels und Gastronomie aufgegangen sind und sich die Mehrheit der Gäste überaus achtsam und vernünftig hinsichtlich der Abstandsregeln verhalten hat.“
Vielleicht war die vorläufige Bilanz etwas zu optimistisch. Im Oktober musste ein Hotel in Timmendorfer Strand wegen Corona-Fällen geschlossen werden. Um diese Zeit zeigte sich, dass die Fallzahlen in Ostholstein doch erheblich gestiegen waren, was schließlich zu einem neuen Lockdown führte. Ab dem 2. November, so Ministerpräsident Daniel Günther, sollte das öffentliche Leben stark heruntergefahren werden. Restaurants, Bars, Clubs und Kneipen wurden geschlossen; Lieferdienste und Essen zum Mitnehmen bleiben erlaubt. Einrichtungen wie Theater, Opern, Konzerthäuser, Messen, Kinos, Freizeitparks, Saunen, wurden geschlossen, alle Veranstaltungen untersagt.
In Lübeck versuchten etliche freischaffende Künstler mehrmals, mit einer kreativen Demonstration auf ihre Lage aufmerksam zu machen. „Ohne Kunst wird’s still“ lautet ihr Credo, das zugleich eine Warnung sein sollte. Je näher man Weihnachten kam, desto deutlicher wurde die Sehnsucht nach dem gewohnten Miteinander, nach Weihnachtsmärkten und Weihnachtsliedern, die man in diesem Jahr wohl allein singen musste. in Timmendorfer Strand hatte man da eine andere Idee und öffnete bis Weihnachten jeden Tag ein Türchen der besonderen Art im schönen Alten Rathaus am Timmendorfer Platz. Der „Adventskalender“ präsentierte vom 1. bis 24. Dezember immer um Punkt 17.00 Uhr Musik, Kunst und Literatur durch ein geöffnetes Fenster und begeisterte die Zuschauer*innen auf dem Timmendorfer Platz mit Lesungen und Liedern der Weihnachtszeit.
Jetzt ist es wieder still geworden. Der Lockdown läuft, die Geschäfte, Cafés, Restaurants bleiben vorerst geschlossen. In Schleswig-Holstein gibt es derzeit 260 neue Corona-Fälle (Stand 28.12.). Eine Woche zuvor wurden 211 Neuinfektionen registriert. Silvester soll es auch leise bleiben. Partys, Böller, Alkohol sind verboten. Aber es gibt Hoffnung. In Kürze sollen die Impfungen beginnen; in Eutin und in der Lübecker MuK werden die besonders gefährdeten Männer und Frauen mit dem Biontech-Impfstoff geschützt. Also hoffen wir alle auf ein frohes und gesundes neues Jahr. Guten Rutsch in ein angenehmes 2021.