Sechs Kandidaten, drei Kernfragen, rund 350 Besucher: Zahlen und Fakten der ersten Bürgermeister-Kandidatenrunde in der Timmendorfer Trinkkurhalle. Jens Johannsen (Die Grünen), der auch für die WUB und die FDP ins Rennen geht, Sven Wilke (CDU), Hatice Kara (SPD), Mike Weber (Piratenpartei) sowie der parteilose Andre Brettschneider und der ebenfalls parteilose Jens Fröhlinger hatten sich auf die erste offizielle Fragerunde mit potenziellen Wählern gut vorbereitet. Dr. Heiner Herde sorgte „als Moderator und Schiedsrichter“ für einen ruhigen und sachlichen Ablauf der Fragestunde, die zeitweise etwas turbulenter wurde, aber der sorgfältig geführten Regie niemals zu entgleiten drohte.
Die Präsentation der einzelnen Kandidaten sollte so ausführlich und auch so reibungslos wie möglich durchgeführt werden - also griff man zu einer bewährten Methode: jeder Kandidat zog ganz stilvoll ein nummeriertes Los aus einem Sektkübel, und in der entsprechenden Reihenfolge durfte jeder einzelne zehn Minuten lang sich selbst und seine Ideen präsentieren, danach hatte das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Den Anfang machte der parteilose Niendorfer DJ und Hochzeitsfotograf Andre Brettschneider mit einer sehr ausführlichen Darstellung seiner Person und seiner Pläne in 29 Punkten. Dass er keinerlei Verwaltungs-Erfahrung habe, gab er unumwunden zu; aber heute sei es möglich, alles Notwendige in einem Crash-Kurs zu erlernen. Wichtig sei ihm seine Bürgernähe, mit der er gezielt die Probleme der Gemeinde angehen will. Er plädiert für den Erhalt der Eishalle, vor allem für die Timmendorfer Jugend, und er schlägt vor, das leer stehende Kurmittelhaus in einen Indoor- und Outdoor-Spielplatz zu verwandeln. Kandidat Jens Fröhlinger musste erst einmal betonen, dass er „kein Phantom“ sei: wegen seines Jahresurlaubs hatte er die erste Wahlkampfphase verpasst, war vielen Timmendorfern noch gänzlich unbekannt. Seit 27 Jahren Beamter im Bezirksamt Hamburg-Mitte, verfügt der Parteilose über hinlängliche Verwaltungserfahrung. Auf die Frage, weshalb er sich für Timmendorfer Strand interessiere, berichtete er von Erinnerungen an Urlaubstage. Deutlich wurde auch, dass er einen neuen Wirkungskreis sucht, nachdem sein Vorgesetzter Markus Schreiber wegen eines tragischen Vorfalls durch Verschulden der Jugendämter als Verantwortlicher für einen groben Fehler aus dem Amt entlassen worden war. Mit seiner Bemerkung „eintausendvierhundert Leute haben zu tun, was ich sage“ hat er sich bei seinen Zuhörern allerdings wenig Freunde gemacht: Statt Beifall gab es Unmut. Der aufkeimenden Mißstimmung setzte die SPD-Kandidatin, Hatice Kara, mit einer charmanten Rede ein schnelles Ende: Das Publikum war begeistert von ihrer selbstbewussten, aber doch zurückhaltenden Selbstdarstellung („es ist noch kein Bürgermeister vom Himmel gefallen“) und ihrem Plädoyer für einen „offenen Politikstil“ mit mehr Bürgergesprächen und einer Kommunikations-Plattform. Viel Beifall fand ihre Ausführung zum Thema „bezahlbarer Wohnraum“: Es könne nicht sein, dass junge Leute abwandern müssen, weil sie sich das Wohnen in Timmendorfer Strand nicht leisten können. Als „Bürger-Bürgermeisterin“ wolle sie sich dieses Problems besonders annehmen. Mit Jens Johannsen stellte sich ein erfahrener Verwaltungsfachmann vor, der als Mitglied der GRÜNEN auch für die Timmendorfer WUB und die FDP antritt. Er sei eigentlich mit seinem Arbeitsplatz im Lübecker Straßenbauamt zufrieden, habe aber Lust, etwas Neues zu beginnen. „Ich möchte als Bürgermeister die Geschicke der Gemeinde lenken“, erklärte er und vermerkte als wichtigste Programmpunkte nicht nur die Sanierung der Straßen, sondern vor allem das Anliegen, „Timmendorfer Strand als Ostseebad im Grünen zu erhalten.“ Eine Ausweitung des notwendigen Wohnungsbaus würde er begrüßen, aber nicht auf öffentlichem Gelände: „Sollte ein Investor zwei Privatgrundstücke erwerben und darauf etwas Größeres bauen, würde ich es begrüßen.“ Sven Wilke stellte sich als CDU-Kandidat vor, wobei er ebenfalls seine Verwaltungserfahrung betonte, die er in Bad Oldesloe gesammelt hat: „Ich bin verantwortlich für alle Bereiche, sei es Bauamt, Ordnungsamt oder Amt für Finanzen.“ In Timmendorfer Strand möchte er wohnen und arbeiten, weil „dieser Ort sehr reizvoll ist, und ich freue mich darauf, hier zu leben.“ Für eine seiner vorrangigen Aufgaben hält er es, die Pro-Kopf-Verschuldung so gering wie möglich zu halten. Eine Frage zu einer Einstellung zur so genannten „Hinterlandanbindung“ der geplanten Fehmarn-Belt-Querung beantwortete er damit, dass er kein „Parteisoldat“ und damit bedingungsloser Befürworter der Planung sei sondern nach akzeptablen Lösungen suche. Die Frage nach bezahlbaren Wohnungen beantwortete er mit der Überlegung, dass die Gemeinde selbst einen sozialen Wohnungsbau finanzieren müsse, um dem Anspruch gerecht zu werden. Kandidat Mike Weber tritt für die aufstrebende „Piratenpartei“ an und präsentierte seine Ideen so unkonventionell wie erwartet. Als Jurist, Kommunalpolitiker und Kenner der Verwaltungsgrundlagen erklärte er zunächst, dass die Möglichkeiten eines Bürgermeisters begrenzt seien: „Er ist kein Macher, er bestimmt nicht die Richtlinien der Politik. Das macht die Gemeindevertretung. Aber er kann Ideen liefern.“ Genau das tat er dann auch: mit der Idee der Einrichtung von Mehrgenerationenhäusern, um dem demografischen Wandel zu folgen, in Timmendorfer Strand eine Fachhochschule z.B. für Tourismus zu errichten, um die jungen Leute zu binden, die öffentliche Sicherheit zu stärken, indem Beamte gefährliche Bereiche kontrollieren. Und mit der Forderung nach mehr Transparenz im Gemeinderat: Wichtige Themen dürften nicht einfach durchgewinkt werden.„Ich bin in Timmendorfer Strand geboren, ich kenne die Probleme“, betonte er und erntete viel Beifall.
Die nachfolgenden Fragen der Bürger befassten sich wieder mit den Hauptthemen Finanzen, bezahlbarer Wohnraum und Hinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung. Hier herrschte weitgehend Übereinstimmung, dass man zu Wohle der Gemeinde bald und schnell handeln müsse. Wer das als Bürgermeister oder Bürgermeisterin übernehmen wird, entscheidet sich bei der Wahl am 6. Mai. Wenn Sie schon vorher abstimmen möchten, nehmen Sie an unserer Umfrage teil!
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