Kopfschütteln, Zwischenrufe, Unmut in den Reihen der Beltretter und der Allianz gegen die Feste Fehmarnbelt-Querung: Zum 5jährigen Jubiläum des Dialogforums „Feste Fehmarnbelt-Querung“ (FFBQ) am 12. September servierte man ihnen eine bittere Pille. Trotz über 12.000 schriftlicher Einwendungen gegen die Planung eines Absenktunnels in der Ostsee wurde den Gegnern des ebenso ehrgeizigen wie umstrittenen Projekts klar gemacht, dass alle Kritik an diesen Plänen zwar aufgegriffen und besprochen werde, aber in keinem Fall zu einem Stopp der Planung führen würde. „Es geht ja schließlich nicht allein um Ostholstein“, erklärte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig den anwesenden Bürgern, die sich seit Jahren um eine kritische Überprüfung des Projekts einsetzen. Bei den Befürwortern auf politischer Ebene gibt es keinen Zweifel an der Durchführung der deutsch-dänischen Verbindungsachse.
Für die Menschen in Ostholstein geht es ums Ganze. Viele fürchten um ihre Existenz, wenn die FFBQ und ihre Auswirkungen in ihrer Region ankommen. Die so genannte „Hinterlandanbindung“, die Schienenwege für Mega-Güterzüge werden für massive Lärmbelästigung und Gesundheitsgefährdung sorgen - ein Todesstoß für die Urlaubsregion, der den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze und die Insolvenz etlicher mit dem Tourismus verbundener Unternehmen sorgen wird. Durch den Landverbrauch der „neuen“ Bahntrasse entlang der Autobahn werden Ackerfächen zerstückelt und die ohnehin schwierige Landwirtschaft weiter belastet. Dass in Haffkrug auch zwei Privathäuser im Wege stehen und für die Streckenführung entfernt werden sollen, wurde bislang nur wenig thematisiert, dürfte aber für einen weiteren Skandal sorgen.
Der erste Skandal ist zweifellos die Ignoranz der Politik. Nur zehn Minuten Redezeit gab es für die Bürger, die sich kritisch zum Projekt „FFBQ“ äußern wollten - für die Befürworter hingegen zwei Stunden. Gerät das Dialogforum zur Farce? Klare Worte dazu fand Patrick Bayer, Abgeordneter der Piratenpartei im Schleswig-Holsteinischen Landtag: „Mit dem Dialogforum haben viele betroffene Bürger und Initiativen die Hoffnung verbunden, die Frage des Sinns dieses Vorhabens neu aufrollen zu können. Heute ziehen sie ein vernichtendes Fazit - zurecht, denn auf der Grundlage bereits geschaffener Fakten ist ein ergebnisoffener Dialog nie möglich gewesen. Für uns Piraten ist klar: Echte Mitbestimmung geht anders.“ - Der anschließende Vorschlag dürfte bei den Entscheidungsträgern nicht unbedingt auf offene Ohren stoßen: Großprojekte transparent und ergebnisoffen mit der Öffentlichkeit diskutieren, falls gewünscht durch Volksentscheid abstimmen - das könnte die „FFBQ“ in weite Ferne rücken.
Denn es gibt zwar einige große Versprechungen. Neue Arbeitsplätze, kürzere Transportwege, schnellere Lieferbedingungen für verschiedene Exportgüter. Kritiker meinen allerdings, wirklich profitieren würden lediglich die am Bau beteiligten Firmen. Dass sich entlang der Trasse neue Betriebe ansiedeln werden, ist bislang Wunschdenken. Realistischer erscheint den Kritikern die Negativ-Bilanz, zu der neben dem erwarteten massiven Rückgang des Tourismus in Ostholstein weitere Arbeitsplatzverluste bei der Fehmarnbeltfähre Scandlines sowie in den Häfen von Lübeck und Rostock zählen, nicht zuletzt die Verödung zur reinen Transitregion und damit verbunden erhebliche Vernichtung von Immobilienwerten und somit vieler Altersversorgungen.
Ob sich das Projekt FFBQ überhaupt rechnet, erscheint dabei bei genauer Betrachtung äußerst fraglich. Die Kosten für den Ausbau der Fehmarnbeltachse von Kopenhagen bis Hamburg als Korridor für Güterzüge liegen zur Zeit bei über 12 Milliarden Euro. Dabei wird der kombinierte Tunnel (Straße/Schiene) zwischen Puttgarden und Rødby mit Anbindung über 8,65 Milliarden Euro verschlingen. Die deutsche Hinterlandanbindung zwischen Puttgarden und Lübeck kostet laut jüngster Berechnungen rund 2,5 Millarden Euro, und die notwendige neue Sund-Querung 200 bis 500 Millionen Euro.
Im Staatsvertrag zur Festen Fehmarnbeltquerung wurde zwischen Deutschland und Dänemark in Artikel 22 zwar vereinbart, dass dieser Vertrag geändert oder aufgehoben werden kann, wenn es zu Kostensteigerungen kommt. Dies sollte, so betonen die Verkehrsminister beider Länder, jedoch nicht geschehen. „Dabei existiert jetzt bereits ein Gutachten des Büros Vieregg & Rössler, das voraussagt, dass mit jedem investierten Euro ein Verlust von ca. 40 Cent verbunden sein wird“, erklären die Mitglieder der Allianz, einem Zusammenschluss mehrerer aktiver Bürgerinitiativen.
Betroffen ist aber vor allem die Qualität unserer Ostsee. Die achtjährige Bauphase wird erhebliche Negativ-Auswirkungen auf die Pflanzen- und Tierwelt haben, unter anderem durch Sedimentaufwirbelungen und erheblichen Unterwasserlärm im Zuge der Ausbaggerung des Tunnelgrabens. Untersuchungen haben ergeben, dass die nur noch 450 vom Aussterben bedrohten Schweinswale durch die Lärmbelastung endgültig verenden werden - und das in einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet!
Dass letztlich die Touristen den mit 18 km weltweit längsten Absenktunnel meiden werden, ist eine nahe liegende Vermutung. Bei moderaten Preisen wird sich wohl so mancher für die gemütlichere Variante per Schiff entscheiden. Eine Hoffnung für Scandlines, die von der Aufgabe ihrer angestammten Strecke weit entfernt sind und Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die Entscheidung der EU-Kommission für die Finanzierung des Fehmarnbelt-Tunnels erhoben hat. Trotz aller Einwendungen, Klagen und Proteste: Der Bau des Fehmarnbelttunnels zwischen Dänemark und Deutschland rückt näher. Vier milliardenschwere Bauverträge sind unterzeichnet. Die Politik will das Projekt offenbar auf Biegen und Brechen durchziehen; die betroffenen Ostsee-Anlieger sind brüskiert und deprimiert. Leserbrief-Autor Stephan Preis aus Gronenberg brachte in den Lübecker Nachrichten vom 18. September 2016 den ganzen Frust auf den Punkt: „Der Bürger als Klotz am Bein der schön gerechneten Lieblingsprojekte, die von den Bürgern bezahlt werden, für deren Belange wie Schulen und Kinderarmut kein Geld mehr gefunden wird: ein weiterer riesengroßer Baustein im Haus der Protestparteien.“
Weitere Informationen:
www.fehmarnbelt-dialogforum.de
www.festebeltquerung.de
www.allianz-beltquerung.info
Mediathek zum Dialogforum am 12.09.2016:
www.okkiel.de/ki/sehen/sehen_on_demand/2016/09/dialogforum.php