Schwarzer Tag in der Timmendorfer Trinkkurhalle: mit schwarzen Leckerbissen, Kaffeelikör und rund 150 schwarz gekleideten Gästen nahm man am 1. Februar 2020 festlich und sicher auch unvergesslich Abschied von der Kunst. Mit einer Trauerfeier endete die fast neunjährige Ära der Galerie Anja Es, in der die Urlauber oft im Vorbeigehen außergewöhnliche Werke prominenter und progressiver Künstler entdeckten, wobei die originellen Borowski-Glasfiguren die denkmalgeschützte Trinkkurhalle in ein dekoratives, sanfte Licht tauchten und sie in der Dämmerung zum kunstvollen Highlight an der Kurpromenade machten. Ab März wird die Trinkkurhalle als Tourismus-Info genutzt. Später soll dort eine Gastronomie einziehen.
Die anwesenden Gäste waren sichtlich „not amused“, dass die Kunst hier dem Kommerz weichen soll. Zumal die Galerie Anja Es in der Trinkkurhalle im Laufe der Jahre zum Begriff für das Besondere, Kreative und vor allem für das Originelle geworden ist. Seit die Künstlerin im Frühling 2011 ihre Galerie eröffnete hat sich ihr „gläsernes Kunst-Ufo“ an der Kurpromenade zu einer Attraktion für zahlreiche Kunstfreunde in und um Schleswig-Holstein entwickelt. Trotzdem hatte sie in Timmendorfer Strand so ihre Schwierigkeiten. „Zugegeben: Eine Art Außerirdische war ich schon, als ich 2011 hier gelandet bin, denn ich kannte hier niemanden, kam nicht von hier und bin als Künstlerin ohnehin suspekt. Aber: Mein zweifelhafter Ruf war von Travemünde immerhin bis in diese Nobel-Destination vorgedrungen, und der Gemeinderat beschloss einstimmig, mir eines der schönsten Gebäude im Ort anzuvertrauen“, erzählte Anja Es in ihrer Rede an die Kunst-Gemeinde; „wahrscheinlich, weil ich die Einzige war, die unter den erschwerten Umständen hier eine angemessene Bespielung leisten wollte, denn schon damals war klar: Eine gastronomische Nutzung wird aufgrund des Denkmalschutzes niemals möglich sein.“
Dennoch haben örtliche Gastronomen die Hoffnung wohl nicht aufgegeben. Wenn dort auch zunächst noch Souvenirs verkauft werden sollen, hofft man doch auf eine Möglichkeit, an dieser begehrten Stelle in unmittelbarer Strandnähe zahlreiche Gäste zu gewinnen. Da muss die Kunst weichen, sehr zum Bedauern zahlreicher Kunstfreunde. „Ein Trauerfall“, resümierte man einmütig; also hat Anja Es eine Trauerfeier inszeniert, von der man noch lange reden wird. Nach einem Konzert mit Pianistin Gabriele Pott aus Lübeck und einigen speziell umgetexteten, wunderbar ironischen Songs zum Mitsingen packte die Künstlerin eine Auswahl ihrer Bilder in den Sarg, der dann nach draußen getragen und in einen Transporter geschoben wurde, feierlich umrahmt von flackernden Fackeln und den zahlreichen Trauergästen.
Wie wird es nun weitergehen? „Die Kunst ist unsterblich“, verspricht Anja Es; „da ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder aus der Kiste springt…
Daher habe ich in weiser Voraussicht für sie ein neues Zuhause geschaffen. Nicht ganz so groß, nicht ganz so schicki aber dafür sehr edel, unglaublich schön und sehr gemütlich. Im ältesten Haus Travemündes, direkt in der Vorderreihe, nämlich in der Alten Vogtei aus dem Jahre 1551, könnte sie direkt einziehen. Sie wäre dort sehr willkommen, denn wie es scheint, freut sich ganz Travemünde, sie wieder zu Gast zu haben.
Heute, am 1. Tag des Februars tragen wir die Kunst zu Grabe, aber vielleicht sollten wir uns am letzten Tag des Februars, am 29. um 14.00 Uhr, in der Vorderreihe, Ecke Rose treffen, um ihre Wiederauferstehung zu feiern. Dann aber bitte nicht in Schwarz, sondern in Knallbunt! Ich verspreche, es wird laut, lustig und natürlich KUNSTvoll.“