StrandBlick Februar 2024

30 StrandBlick Februar | 2024 Scharbeutz Kolonne der Wut auf unseren Straßen Es hupt, es dröhnt, es blinkt, es fällt auf. Pendler stehen im Stau, Schaulustige am Straßenrand. Auf der Landstraße nach Pansdorf ziehen Trecker vorbei, eine ganze Kolonne, die man von Weitem sehen und hören kann. Die Zuschauer sind begeistert: Die Wut-Attacke der Landwirte können offenbar viele verstehen. Sie winken, applaudieren und fotografieren. Das neue Jahr beginnt im Stau: schon in der ersten Januar-Woche erlebte man eine Trek- ker-Fülle, die bislang einzigartig ist. Rund 842 Landwirtschaftliche Betriebe gibt es in Ost- holstein, und die waren fast alle unterwegs.- Mit 2638 Treckern protestieren die Bauern ge- gen Beschlüsse der Ampel-Regierung: Der Zuschuss für Agrar-Diesel soll gestrichen, die KfZ-Steuer-Befreiung aufgehoben werden. Für die meisten ein „No Go“, zumal der KfZ-Steuer- erlass eine Art Gewohn- heitsrecht war. Der da- tiert nämlich auf das Jahr 1922 zurück, als man die Technisierung im Agrar- sektor fördern wollte. Entsprechend heftig war die Reaktion, und die „Ampel“ beschloss, die Kürzungen teilweise zu- rück zu nehmen. Den Landwirten ist das nicht genug. Was sie for- dern ist eine Wertschät- zung, die ihnen zusteht. „Landwirtschaft macht alle satt/ auch die Gegner, die sie hat“ lautet einer der gängigen Slogans. Mit ihrer Wut-Ak- tion haben sie es tatsächlich geschafft, auf ihre Arbeit, ihre Bedeutung aufmerksam zu machen. Nie zuvor gab e so viele Berichte, so viele Interviews mit Bauern und Bäuerinnen, und dabei wird klar, dass ihre „To Do“-Liste ei- nige Herausforderungen beinhaltet; 24-Stun- den-Betrieb, Landschaftspflege, Umwelt- schutz, Tierwohl, Klimaschutz, Wettbewerb. Wo bleibt die Unterstützung? Der Staat könnte z.B. die Hilfen für den tierfreundlichen Umbau von Ställen aufstocken - und im Gegenzug eine „Tierwohlabgabe“ einführen. Vielleicht reichen auch auskömmliche Preise.. Die sind bei unserer Discounter-Marktmacht nicht gegeben. Anders als in Frankreich: dort ist es verboten, die Preise unter Erzeugerko- sten zu drücken. Würde also bei uns der Er- zeugerpreis für Milch von aktuell 42 Cent auf 48 Cent steigen, hätten wir vielleicht eine gute Chance auf bäuerlichen Frieden. Klare Warnungen auf den Frontschildern. Keine Bauern, nichts zu essen, und die Zukunft wird karg. So und ähnlich klingen die Parolen Frust bei den Fischern: Jetzt wird hier gekürzt Um die zurückgenommenen Kürzungen bei den Bauern zu finanzieren, will die Ampel-Regierung den Kutter-Betrieben an Nord- und Ostsee ans Geld. Statt 670 Mio. Euro Zuschüssen aus Versteigerungen der Windpark-Rechte soll die Branche nur 134 Mio. bekommen. Bei den steigenden Ausgaben ein schwerer Schlag für die wenigen noch aktiven Fischer. Das war ein Schlag ins Kontor: Als die Ampel- Regierung nach zahlreichen wütenden Prote- sten die geplante Kürzung der Finanzhilfen für die Landwirtschaft teilweise zurücknehmen musste, hatte man die Fischer im Visier. Ihre finanziellen Zuschüsse sollen künftig von 670 Mio. Euro (aus der Versteigerung der Wind- park-Rechte) auf 134 Mio. Euro schrumpfen. Betroffen sind davon 1189 Schiffe, 2000 Beschäf- tigte der Kutter-Betriebe an Nord- und Ostsee. Mit den nun fehlenden Millionen sollten vor al- lem geringere Fangmen- gen kompensiert und die marode Flotte auf Vor- dermann gebracht wer- den. Aber es gilt auch, Verluste auszugleichen, die durch Kimawandel, Umweltverschmutzung und Aussterben der Ar- ten entstanden sind. Die Dorschbestände sind so drastisch zurückge- gangen, dass in der westlichen Ostsee der Dorsch nur noch als Beifang erlaubt ist. Einer der betroffenen Fischer ist Peter Dietze (34). Seit 2018 geht er mit seinem roten Kutter „Freedom“ auf See, fängt, Dorsch, Hering und Plattfische wie Steinbutt, Flunder und Klie- sche. Die starken Einschränkungen beim Dorschfang hält er für richtig und will bei sei- nen Kunden für den Umstieg auf Plattfische werben. Ob es überhaupt reichen wird für den Lebensunterhalt für seine Familie und den Weiterbetrieb des Kutters, weiß er nicht. „Wir Fischer sind täglich mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert“, sagt er, und sicher werden die Küstenbewohner gut verstehen, dass nun auch die Fischer protestieren: Jeden Freitag in einem anderen Hafen, so ist es ge- plant. In dieser Zeit werden auch Trecker- Demos stattfinden, um die angespannte Si- tuation für alle deutlich sichtbar zu machen und für mehr Verständnis zu plädieren. Peter Dietze ist einer der wenigen noch aktiven Fischer in Niendorf. Frust auch bei den Fischern in Travemünde. Die deutsche Hochsee- und Küstenfischerei steht vor dem Kollaps, und nun gibt’s keine Zuschüsse

RkJQdWJsaXNoZXIy MTgxMDU=