Kein weiter so! - Timmendorfs neuer Bürgermeister auf neuen Wegen

0
4039
Sven Partheil-Böhnke will als neuer Bürgermeister von Timmendorfer Strand neue Wege zum ausgewogenen Miteinander von Tourismus und Bürger-Gemeinschaft gehen.
Sven Partheil-Böhnke will als neuer Bürgermeister von Timmendorfer Strand neue Wege zum ausgewogenen Miteinander von Tourismus und Bürger-Gemeinschaft gehen.

Sein Wahl­slo­gan hieß „Kein wei­ter so“, und damit hat er die Bür­ger über­zeugt. Seit dem 1. Juli ist Sven Par­t­heil-Böhn­ke Bür­ger­meis­ter der Gemein­de Tim­men­dor­fer Strand und ist schon kurz nach Amts­an­tritt aktiv gewor­den. In unse­rem ­Gespräch im Rat­haus hat der Wahl-Nien­dor­fer mit lang­jäh­ri­ger Erfah­rung in der Orts­po­li­tik sei­ne Zie­le beschrieben.

Strand­blick: Die neu­es­te Nach­richt aus dem Tim­men­dor­fer Rat­haus bezieht sich auf einen Aus­bau der ört­li­chen Gewer­be­ge­bie­te. Ist das der Weg zu Alter­na­ti­ven zum Tourismus?

Sven Par­t­heil-Böhn­ke: Wir sind ein Tou­ris­ten­ort, und der Tou­ris­mus ist unser Haupt­er­werb, das soll sich auch nicht ändern. Aber: Der Tou­ris­mus funk­tio­niert. Wir sind soweit gut aus­ge­bucht, also, das läuft. Und die Wirt­schaft kann sich auch um den Tou­ris­mus küm­mern. Die Ver­wal­tung kann die Rah­men­be­din­gun­gen fest­le­gen, und die Wirt­schaft muss dann eben auch mal fest­le­gen: Was wol­len wir? Und wo geht das hin? Mein Haupt-Augen­merk ist eben, ein biss­chen mehr Wert auf die Gewer­be zu legen, die nicht unbe­dingt etwas mit dem Tou­ris­mus zu tun haben, die wur­den ja doch ein biss­chen ver­nach­läs­sigt in den letz­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten, und ein biss­chen mehr für unse­re Bür­ge­rin­nen und Bür­ger tun, damit die auch nach der Sai­son etwas von die­ser Gemein­de haben. Im Som­mer ist ja alles toll, da geht man zum Strand run­ter, sieht vie­le Leu­te, ist glück­lich, aber in der dunk­len Jah­res­zeit sind vor allem unse­re älte­ren Bür­ger häu­fig sehr allei­ne. Da wäre ein Treff­punkt, zum Bei­spiel im Alten Kur­mit­tel­haus, eine gute Opti­on. Es gibt tol­le Plä­ne dazu, die müs­sen nur bespro­chen und umge­setzt wer­den, viel­leicht auch mit einem Ideen-Wett­be­werb - sol­che Wett­be­wer­be sind ja oft ein Füll­horn an guten Ideen. Da ist so unglaub­lich viel Poten­zi­al drin, das man sich zunut­ze machen kann, um eini­ge Din­ge in Schwung zu brin­gen - zum Bei­spiel das Kur­mit­tel­haus, das steht jetzt seit 18 Jah­ren leer, ein tol­les Gebäu­de, das man her­vor­ra­gend nut­zen kann, und da möch­te ich gern für unse­re Ein­woh­ner etwas tun.

Ich hab schon vie­le unse­rer ehren­amt­lich täti­gen Bür­ger besucht, noch nicht alle, aber ich war beim Senio­ren­rat dabei, bei der Hel­fer­bör­se, ich hab’ den Ver­ein Kin­der­herz besucht - das ist mir wich­tig, die­se Ein­rich­tun­gen zu unter­stüt­zen, die in den letz­ten Jah­ren ver­nach­läs­sigt wur­den. Gera­de das Ehren­amt hat für mich einen ganz, ganz hohen Stel­len­wert. Nur durch das Ehren­amt funk­tio­niert Deutsch­land. Wenn wir das nicht hät­ten, wür­de vie­les feh­len, denn die­sen Ein­satz kön­nen wir gar nicht bezah­len. Dass Men­schen sich in ihrer Frei­zeit zur Ver­fü­gung stel­len, um ande­ren Men­schen zu hel­fen - das fin­de ich groß­ar­tig. Wenn mich Ehren­amt­ler ein­la­den, dann bin ich immer sehr gern dabei. Ob es die DLRG ist, unse­re Frei­wil­li­ge Feu­er­wehr oder ande­re, die ohne Ent­gelt aktiv wer­den, sie genie­ßen alle mei­nen ganz gro­ßen Respekt, denn das ist eine tol­le Leis­tung. Ich wür­de gern in Tim­men­dor­fer Strand einen Tag des Ehren­am­tes ein­rich­ten, bei dem die Feu­er­wehr, die Kin­der­be­treu­ung, der Senio­ren­treff, der Sport­ver­ein und all die ande­ren ehren­amt­lich täti­gen einen Stand haben und sich ein­mal vor­stel­len kön­nen. Dabei wer­den die Bür­ger dann erken­nen, wie viel Enga­ge­ment die­se Men­schen auf­brin­gen, was hier im Ort wirk­lich auf die Bei­ne gestellt wird.

Das waren mei­ne ers­ten Ter­mi­ne, die ich wahr­ge­nom­men habe. Das heißt: jeder, der einen Ter­min bei mir haben möch­te, der bekommt auch einen. Im Moment ist zwar alles so voll, das man sagen muss: dau­ert noch ein biss­chen, aber grund­sätz­lich darf jeder, der will, mit dem Bür­ger­meis­ter spre­chen. Das fängt damit an, dass mein Tele­fon grund­sätz­lich erreich­bar ist, auch am Wochen­en­de kann man mei­ne Num­mer anru­fen. Es soll jeder die Mög­lich­keit haben, einen Ter­min zu bekom­men, um sei­ne Anlie­gen mit mir zu bespre­chen. Die Bür­ger haben ja vie­le Ideen, vie­le Anre­gun­gen, viel­leicht auch mal eine Beschwer­de, das neh­men wir alles sehr ernst. Eini­ge Ideen kann viel­leicht man aus gesetz­li­chen Grü­nen nicht ver­wirk­li­chen, aber es gibt sicher etli­che Inspi­ra­tio­nen, die umge­setzt wer­den können.

Strand­blick: Das wohl größ­te Pro­blem im Ort ist die Wohn­si­tua­ti­on. Wohn­raum ist knapp und teu­er. Gibt es da schon Plä­ne, um die Situa­ti­on zu verbessern?

Sven Par­t­heil-Böhn­ke: Ja, das ist wirk­lich ein gro­ßes Pro­blem. Ich habe mich bereits dar­über infor­miert, ob es mög­lich ist, Flä­chen zu bekom­men, zum Bei­spiel von Land­wir­ten, um dort wirk­lich bezahl­ba­ren Wohn­raum ein­zu­rich­ten. Aber da fängt für mich schon das Pro­blem an: bezahl­ba­rer Wohn­raum ist ja so ein rela­ti­ver Begriff; für den einen ist 13 Euro bezahl­bar, und für den ande­ren sind 6,50 Euro viel­leicht schon zu viel. Da gibt es aber tat­säch­lich neue Ideen. Wir haben uns schon dar­um geküm­mert, was wir machen kön­nen. Das bespre­chen wir hier in den Abtei­lun­gen. Ich kann mir durch­aus vor­stel­len, dass man eine kom­mu­na­le Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft ent­we­der selbst grün­det oder sich einer bestehen­den anschließt, und das mög­li­cher­wei­se bei die­sen kom­mu­na­len Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten die Gemein­de sel­ber baut. Und die Gemein­de muss ja kein Geld damit ver­die­nen, im Gegen­satz zu einem Inves­tor: für den muss sich das Objekt nach 10 Jah­ren amor­ti­siert haben. Wenn sich das für die Gemein­de nach 20 oder 25 Jah­ren amor­ti­siert hat, reicht das ja voll­kom­men aus. Nur auf die­se Art kön­nen wir wirk­lich bezahl­ba­ren Wohn­raum schaf­fen, denn die heu­te übli­chen Prei­se wie z.b. 13 Euro pro Qua­drat­me­ter sind für Ser­vice­kräf­te nicht bezahlbar.
Auch für eine allein­er­zie­hen­de Mut­ter sind die­se Miet­prei­se nicht bezahlbar.

Strand­blick: Wird es eine Rege­lung für Zweit­woh­nun­gen geben, die ja in man­chen Fäl­len wenig genutzt werden?

Sven Par­t­heil-Böhn­ke: Man kann einem Woh­nungs­be­sit­zer nicht sagen „du musst aber auch dar­in woh­nen“ - das wäre ein Ein­griff in die Pri­vat­sphä­re. Das geht so nicht. Was wir tun kön­nen, ist auf die Nut­zung bei Neu­bau­ten Ein­fluss zu neh­men. Da könn­ten wir sagen: Es muss 10 Jah­re lang dau­er­haft ver­mie­tet wer­den. Erst danach darf man die Woh­nun­gen in die Feri­en­ver­mie­tung geben. Wir haben so eini­ge Objek­te in Tim­men­dor­fer Strand, die eigent­lich nach die­sem Sche­ma ver­mie­tet wer­den sol­len… aber wir kön­nen es wirk­lich kaum kon­trol­lie­ren. Dafür fehlt uns ein­fach die Manpower.
Wenn wir nur noch Feri­en­ver­mie­tun­gen haben, dann haben wir bald auch Syl­ter Ver­hält­nis­se, das heißt: kei­ne Ser­vice­kräf­te, kei­ne Mit­ar­bei­ter in der Gas­tro­no­mie, kei­ne Ver­käu­fe­rin­nen in den Bou­ti­quen… das müs­sen wir sicher ändern, und bei neu­en Pro­jek­ten ach­ten wir auch darauf.
Wir könn­ten auch sagen: alles, was in den nächs­ten vier Jah­ren gebaut wird, ist nur zum dau­er­haf­ten Woh­nen zuläs­sig. Das ist sicher auch eine Stell­schrau­be, an der wir ein biss­chen dre­hen kön­nen. Und mir schwe­ben eben mehr die kom­mu­na­len Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten vor.
Das ent­schei­det natür­li­che Poli­tik. Wir haben die­se The­men schon öfter dis­ku­tiert; also, bezahl­ba­rer Wohn­raum steht bei allen Frak­tio­nen ganz oben auf der Agen­da. Bei den The­ma 10 Jah­re Fest­ver­mie­tung sind sich alle einig; bei den kom­mu­na­len Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten gibt es unter­schied­li­che Mei­nun­gen. Aber ich den­ke, man bekommt lang­fris­tig auch das okay der Ent­schei­dungs­trä­ger, weil jeder sagt, bezahl­ba­rer Wohn­raum ist das A und O, den brau­chen wir ganz drin­gend. Da sind alle Frak­tio­nen einer Mei­nung. Wie wir das ange­hen, das ist sicher noch die Fra­ge, aber dass wir das ange­hen, da gibt es kei­ne zwei Meinungen.

Strand­blick: Das sind aus mei­ner Per­spek­ti­ve zwei der wich­tigs­ten The­men, die jetzt anste­hen. Aber Sie haben sicher noch mehr wich­ti­ge Punk­te auf der Agenda.

Sven Par­t­heil-Böhn­ke: Ja, wich­tig war für mich vor allem, Ruhe in das Rat­haus zu brin­gen. Das ist sicher ganz gut gelun­gen; ich hab’ mich gleich an mei­nem ers­ten Tag mit jedem Mit­ar­bei­ter, der im Rat­haus anwe­send war, unter­hal­ten und ver­sucht, den Leu­ten ein biss­chen die Angst zu neh­men. Ich bin nun schon der vier­te Bür­ger­meis­ter in drei Jah­ren - das bringt viel Unru­he. Ich hab’ ver­sucht, den Mit­ar­bei­tern zu zei­gen, dass ich eigent­lich ganz nett und ganz nor­mal bin .. das geht so mit den klei­nen Din­gen, indem ich mor­gens durchs Rat­haus gehe und die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter begrüße.
Das gegen­sei­ti­ge Ver­trau­en ist wich­tig. Mei­ne Tür steht immer offen, außer, wenn wir hier Bespre­chun­gen haben. Wer ein Gespräch wünscht, der darf rein­kom­men. Ich wer­de toll gebrieft von mei­nen Mit­ar­bei­tern, ich lass ihnen immer so viel Raum, dass sie auch ihre eige­nen Ideen vor­stel­len kön­nen. Und in den Aus­schüs­sen stel­len sie selbst­ver­ständ­lich auch ihre Arbeit vor; da sol­len sie auch die Lor­bee­ren dafür bekom­men. Es ist rela­tiv schnell gelun­gen, hier so viel Ruhe rein zu bekom­men, dass die Mit­ar­bei­ter gern zur Arbeit kom­men. Ich freu mich, dass das alles rei­bungs­los klappt. Das war mir ganz wichtig.

Strand­blick: Vie­len Dank für die­ses Gespräch, Herr Partheil-Böhnke.


Hier noch ein wich­ti­ger Hinweis:

Bür­ger­meis­ter Sven Par­t­heil-Böhn­ke lädt alle Bür­ge­rin­nen und Bür­ger der Gemein­de Tim­men­dor­fer Strand herz­lich ein, ihre kon­kre­ten Anlie­gen zum gemeind­li­chen Gesche­hen mit ihm per­sön­lich im Rah­men einer offe­nen Bür­ger­sprech­stun­de in den ein­zel­nen Orts­tei­len zu erör­tern. Beglei­tet wird Bür­ger­meis­ter Par­t­heil-Böhn­ke von Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern der Gemein­de. Eine Ter­min­ver­ein­ba­rung ist nicht erforderlich.

Sei­ne ers­te Sprech­stun­de fin­det am Mitt­woch, den 11. August 2021 von 16 bis 18 Uhr im Haus des Kur­gas­tes, (gro­ßer Saal), Strand­stra­ße 121a in Nien­dorf / Ost­see statt.
Wei­te­re offe­ne Bür­ger­sprech­stun­den fin­den wie folgt statt:

• Mitt­woch, den 08. Sep­tem­ber 2021 von 16 bis 18 Uhr im Dorf­ge­mein­schafts- und
Feu­er­wehr­ge­rä­te­haus, See­stra­ße 5, 23669 Tim­men­dor­fer Strand / OT Hemmelsdorf

• Mitt­woch, den 20. Okto­ber 2021 von 16 bis 18 Uhr in der Trinkkurhalle,
Kur­pro­me­na­de 3, 23669 Tim­men­dor­fer Strand und

• Mitt­woch, den 10. Novem­ber 2021 von 16 bis 18 Uhr im Dorf­ge­mein­schafts- und
Feu­er­wehr­ge­rä­te­haus (Ver­an­stal­tungs­raum), Dorf­stra­ße 30 in Groß Timmendorf.