Ein kugelrunder Gonzo steht mit spitzen Echsen-Zacken vor der Tür und lässt erahnen, dass hier etwas Besonderes geboten wird. Tatsächlich ist die Trinkkurhalle ein Erlebnis, von dem man gern erzählt. Da sind kunstvolle „Schlampen“, lasziv posierend in Öl porträtiert, pointierte Bilder und Figuren und ein Kulturprogramm voller Witz und Charme.
Pralles Leben in der „Rotunde“: Bunte Vielfalt präsentiert sich dem Besucher, der hier die wunderschönen, witzigen Figuren aus mundgeblasenem Glas von Wiktor Borowski kennenlernt - Schöpfungen eines Künstlers, der weltweit in Galerien, Sammlungen, Museen eine wichtige Rolle spielt. „Wir achten auf das Besondere“, betont Anja Es und zeigt auf die frisch ausgestellten Kunst-Stücke Ihrer Galerie in der Timmendorfer Trinkkurhalle. Seit vier Jahren verleiht sie dem denkmalgeschützten Gebäude, das ab 1951 zentraler Punkt im aufstrebenden Ostseeheilbad war, neuen Schwung und zeigt sich dabei überaus flexibel. Wo einst Kurgäste in himmlischer Ruhe gesundes Quellwasser schlürften, geht es heute sehr abwechslungsreich zu. „Da sind zunächst einmal meine zahlreichen Ausstellungen, die vorbereitet werden müssen, dann die Performances wie jetzt zum Valentinstag, für die der Nachfrage entsprechend Plätze fürs Publikum hergerichtet werden“, erzählt Anja Es. „Im Sommer haben wir hier regen Betrieb: dann kommen bis zu 400 Besucher täglich und sehen sich die Ausstellung an, bewundern meine „Schlampen“ in Öl und die Werke junger und berühmter Künstler. Immendorf, Lüpertz, Uecker waren hier schon ausgestellt, mit viel Erfolg. Und dann sind da noch die Veranstaltungen des Timmendorfer Tourismus-Service wie Musik- oder Theaterabende, für die ich im Sommer vier Mal pro Woche alles ausräumen muss, außerdem das Beachvolleyball-Event, das hier seinen Mittelpunkt hat. Aber ich hab’ ja alles beweglich eingerichtet, so, wie es Vorschrift ist. Denn in der denkmalgeschützten Trinkkurhalle darf keine bauliche Veränderung vorgenommen, auch kein Mobiliar installiert werden.“
Diese Denkmalschutz-Vorgaben dürften auch der TSNT GmbH (Tourismus-Service Niendorf/Timmendorfer Strand) bekannt sein. Dennoch haben die zuständigen Vordenker zwecks „Attraktivitätssteigerung“ ein Modell entwickelt, das Kultur durch Gastronomie ersetzen soll. Die Rotunde als Galerie ist für manch geschäftstüchtigen Geist im Nizza des Nordens pure Platzverschwendung. In den strandnahen Räumen sollen anspruchsvolle Genießer Prosecco schlürfen und im Anschluß schnurgerade zum Shoppen auf die Kurpromenade strömen. Dass hierzu der traditionsreiche Seepferdchenbrunnen und auch die wunderschön blühenden Rhododendronhecken weichen sollen, haben Natur- und Kulturfreunde mit Entsetzen registriert. Die örtliche Politik hat sich mehrheitlich dafür entschieden, das gesamte Park-Areal zu überplanen und auch für die Trinkkurhalle einen Planer einzusetzen, der an diesem Ort einen Beach Club einrichten soll. Veranstaltungen der Gemeinde und des Tourismus-Service könnten, so heißt es, dort ja dennoch stattfinden - eben im Rahmen der Gastronomie, die dann auch für lukrative Bewirtung sorgt.
Ob der Plan im Rahmen der Denkmalschutz-Gesetze bleibt und durchgesetzt werden kann, ist bislang noch fraglich. Aber auf Eventualität wollen sich die Timmendorfer nicht verlassen. Kurz nach dem Beschluss zur Überplanung des Parks und der Trinkkurhalle im Tourismusausschuss hat sich eine Initiative gegründet, die ein Bürgerbegehren durchführen wird. Ihr Ziel ist es, die Trinkkurhalle als kulturellen Mittelpunkt der Gemeinde sowie auch den Park und den Brunnen zu erhalten.
Anja Es widmet sich derweil dem Wesentlichen: Am 21. Februar präsentiert sie ihr neues Programm mit Texten rund um die Liebe - „bitter-sweet, scharf und versöhnlich, naiv und desillusioniert“, begleitet von softem Saxophon. Eintritt: 10,- Euro, Start: 19.30 Uhr.