Sonntags nie? - Kirche pocht auf Ladenschluss-Gesetze

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1894
Am runden Tisch wurde im Timmendorfer Alten Rathaus über die Bäderregelung diskutiert

An die Ost­see fah­ren und dort schlem­men und shop­pen - das ist ein Rie­sen-Sonn­tags­ver­gnü­gen für vie­le Städ­ter. Damit könn­te es nun eini­ge Mona­te lang gänz­lich vor­bei sein. Durch eine Kla­ge der Kir­che gegen die jah­re­lang bewähr­te „Bäder­re­ge­lung“, die es tou­ris­mus­in­ten­si­ven Orten an der Küs­te ermög­licht, auch an den Wochen­en­den alle Geschäf­te offen zu hal­ten, droht nach einem müh­sam erar­bei­te­ten Kom­pro­miss zwi­schen Kir­che und Lan­des­re­gie­rung eine „tote Zeit“: dem­nach sol­len künf­tig die Geschäf­te nur noch vom 17. Dezem­ber bis zum 8. Janu­ar und vom 15. März bis zum 31. Okto­ber an Sonn­ta­gen öff­nen dürfen.

Eine Hor­ror­vor­stel­lung für die Geschäfts­leu­te an der Küs­te. Vie­le inha­ber­ge­führ­te Läden über­le­ben haupt­säch­lich durch die­sen beson­de­ren Ser­vice, den ihre Kun­den auch zu schät­zen wis­sen. „Wir reden hier von 16 Sonn­ta­gen; das ist der Ursprung wie vor 10 Jah­ren“, erklärt Heinz Mey­er, Vor­sit­zen­der der Tim­men­dor­fer Aktiv­grup­pe für Han­del und Gewer­be, bei einem Tref­fen betrof­fe­ner Wirt­schafts­ver­tre­ter und Ver­tre­ter des Tou­ris­mus­ver­ban­des am 8. Febru­ar am „run­den Tisch“ im Tim­men­dor­fer Alten Rat­haus. „Die Tages­gäs­te kom­men gera­de am Wochen­en­de, da müs­sen wir ver­stärkt für unse­re Gäs­te und Kun­den da sein. Der grö­ße Umsatz in den Geschäf­ten wird zudem am Wochen­en­de gemacht. Jetzt haben wir vier­ein­halb Mona­te statt ein­ein­halb Mona­te geschlossen.“

Shoppen und schlemmen auch am Sonntag: das macht die Ostseebäder für Tagesgäste attraktivBevor es die Bäder­re­ge­lung gab, die eine Aus­nah­me­gen­emi­gung zur Öff­nung an Sonn­ta­gen beinhal­tet, herrsch­te an Wochen­en­den im Win­ter gäh­nen­de Lee­re in Schar­beutz, Haff­krug, Tim­men­dor­fer Strand. Zahl­rei­che Geschäf­te mach­ten im Novem­ber ein­fach bis Ostern zu. Das änder­te sich schlag­ar­tig, als die Geneh­mi­gung zur Öff­nung an Sonn­ta­gen vor­lag. Quir­li­ges Trei­ben mit­ten im Win­ter, Geschäf­te geöff­net, Cafés gut besucht, vie­le Ver­an­stal­tun­gen mit zahl­rei­chen Gäs­ten… die Küs­te lebt, wenn sie nicht durch ein gäs­te- und wirt­schafts­feind­li­ches Regle­ment vom Gesche­hen abge­schnit­ten wird. Wer über­haupt von einer Beschrän­kung pro­fi­tiert, ist frag­lich. In den Küs­ten­or­ten gibt sich die Kir­che welt­of­fen: „Wir haben nie Pro­ble­me mit der Bäder­re­ge­lung im Ort gehabt, das kann mir auch Pas­tor Tho­mas Vogel bestä­ti­gen“, erklärt Tim­men­dorfs Tou­ris­mus­di­rek­tor Joa­chim Nitz. Tat­säch­lich hat sich der Tim­men­dor­fer Pas­tor mit dem Satz „ist der Ort voll, ist auch die Kir­che voll“ als Befür­wor­ter der Bäder­re­ge­lung gezeigt. Aber er hat auch Beden­ken bei der aktu­el­len For­de­rung der Ost­see­bä­der: „Mei­ne Sor­ge ist, dass ich im Moment kei­nen Spiel­raum sehe, son­dern eher die Gefahr, dass der der­zei­ti­ge Kom­pro­miss nicht mehr zählt und dass wir die Bäder­re­ge­lung von Meck­len­burg-Vor­pom­mern erhal­ten oder sogar ganz ohne Bäder­re­ge­lung fah­ren müssen.“

Baederregelung_0738Sei­ne Sor­ge ist kei­nes­falls unbe­rech­tigt, ist doch die Rege­lung, Geschäf­te am Sonn­tag zu schlie­ßen, im deut­schen Grund­ge­setz ver­an­kert. Über­nom­men wur­de die­ses Gesetz aus Arti­kel 139 der Wei­ma­rer Ver­fas­sung vom 11. August 1919, der bestimmt, dass der Sonn­tag als „Tag der Arbeits­ru­he und der see­li­schen Erhe­bung“ gesetz­lich geschützt bleibt. Eine „Abschaf­fung oder eine den Sonn­tag in die­ser Funk­ti­on grund­sätz­lich in Fra­ge stel­len­de Rege­lung ist somit nicht mit dem Grund­ge­setz ver­ein­bar und ent­zieht sich daher einer grund­sätz­li­chen Neu­re­ge­lung durch die Lan­des­par­la­men­te“ (Wiki­pe­dia). In den Ost­see­bä­dern hat man die Hoff­nung den­noch nicht ver­lo­ren. Nach wie vor war­tet man auf einen ande­ren Kom­pro­miss, der den Geschäfts­leu­ten mehr Spiel­raum lässt. „Es geht doch auch um unse­re Arbeit­neh­mer, die even­tu­ell für fünf Mona­te zum Arbeits­amt gehen müs­sen. Das darf es nicht sein, das ist unso­zi­al.“ Die Kir­chen sehen aller­dings kei­nen Grund, nach­zu­bes­sern. Hier wun­dert man sich „über die Form, in der die Beden­ken vor­ge­tra­gen wer­den“; man hält sie für nicht sach­ge­mäß und im Ton nicht akzep­ta­bel. Die Fron­ten sind ver­här­tet, die Läden sol­len geschlos­sen blei­ben. Es sei denn, der fast hun­dert­jäh­ri­ge Para­graph im Grund­ge­setz wür­de end­lich unse­rer Zeit und ihren Bedürf­nis­sen angepasst.