Für manche der jüngeren Deutschen ist es vielleicht ein Tag wie jeder andere. Die Älteren erinnern sich dagegen genau, wo sie waren an jenem 9. November 1989, dem Tag, an dem die Mauer ihre Wirkung verlor. Freier Weg über die deutsch-deutsche Grenze: das war lange Zeit nur ein Traum. Mittlerweile sind 30 Jahre vergangen, und längst ist zusammengewachsen, was zusammen gehört. Am früheren Grenzübergang Lübeck-Schlutup wurde der historische Tag vom 8. bis zum 10. November gefeiert, mit Musik im Festzelt und berührenden Reden. Rund 6000 Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein waren dabei.
Ein besonderer Tag war es auch für Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, die als gebürtige Ostberlinerin die Grenzöffnung hautnah miterlebt hat. Gemeinsam mit der Repräsentantin der Grenzdokumentations-Stätte e.V., Ingrid Schatz, begeisterte sie die Gäste mit einer emotionalen Ansprache, die nur eine Zeitzeugin halten kann. Daniel Günther, ihr Kollegen aus Schleswig-Holstein, war ebenfalls in Schlutup dabei und ließ es sich nicht nehmen, beim Lindenberg-Song „Hinter dem Horizont geht’s weiter“ kräftig mitzusingen. Gemeinsam posierten die beiden dann mit Trabi-Fan Stefan Krüger aus Güstrow, der mit einem 26-PS-Veteranen aus dem Baujahr 1989 für die Presse. Die Stimmung war locker, man erinnerte sich an die unvergesslichen Episoden des historischen Tages. Fröhlich feierte man gemeinsam die Zeitenwende, die damit begann, dass am 9. November 1989 um 21.53 Uhr das erste Fahrzeug die Grenze in Richtung Lübeck passierte. Es gehörte Renate und Herbert Ebert, die mit ihrem Lada in den Westen wollten. Der Empfang war grandios: Begeistert begrüßten die Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes die mutigen Vorreiter in Richtung Westen, und der Kontakt zu Peter Fünning, der den beiden damals einen Blumenstrauß überreichte, ist bis heute nicht abgerissen. Beim 30. Jahrestag in Schlutup trafen sie sich wieder.
„Das waren verrückte, unvergessliche Tage“, erinnerte sich Manuela Schwesig; „wir erinnern uns, wir freuen uns, wir feiern gemeinsam: Zusammen sind wir Norddeutsche. Demokratie ist die Vielfalt von Meinungen. Das auszuhalten kann anstrengend sein. Aber es ist auch spannend.“ Auch wenn nicht alle Erwartungen der Bürger der Ex-DDR erfüllt wurden, dürfe sich das Land nicht wieder spalten lassen, ergänzte sie. „Wir müssen eine Vielfalt an Meinungen aushalten und als Schatz sehen.“ - Daniel Günther appellierte an die Menschen, manche Schwierigkeiten, die noch heute bestehen, zu überwinden: „Wir müssen mehr Verständnis füreinander bekommen, für die Geschichte, für Leistungen und auch für Ängste in Ost und West. Dieses Verständnis ist die Basis für die gemeinsame Zukunft in Deutschland. Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gehören heute zusammen - nicht als West und Ost, sondern als norddeutsche Nachbarn.“
Nachbarschaftlich und fröhlich wurde gefeiert, in Schlutup, in Dassow, an allen ehemaligen Grenzstationen. Die wohl am meisten gestellte Frage an diesem historischen Tag: „Wie haben Sie damals den Mauerfall erlebt?“ rührte am Rande der Veranstaltung in Schlutup den einen oder anderen Zeitzeugen zu Tränen. Noch immer ist für viele die Wiedervereinigung ein Wunder, das sehr emotional gefeiert wurde und immer präsent sein wird - als wohl schönster Tag der deutschen Geschichte.